Projekt:Im Leben Fuß fassen

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Das Projekt "Kurz vor 3" vermittelte Baljeet K. eine Teilzeit-Umschulung. (Foto: oh)

"Kurz vor 3" hilft arbeitslosen Müttern bei der Jobsuche

Von Sven Loerzer

Als alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern, vier und acht Jahre alt, im Alter von 38 Jahren noch eine Ausbildung zu absolvieren, woher kommt diese Energie und Disziplin? "Meine Kinder sind meine Motivation, ich will ihnen eine gute Zukunft geben", sagt Baljeet K., die 2008 aus Indien nach Deutschland kam. Seit 2014, das war kurz nach der Geburt des zweiten Kindes, ist sie alleinerziehend und bezieht Arbeitslosengeld II beim Jobcenter München. Und nutzte eine Chance, ihren beruflichen Einstieg vorzubereiten.

Dafür hatte das Jobcenter zusammen mit dem Bildungsträger Avanta, den die Stadt gerade mit dem Anita-Augspurg-Preis ausgezeichnet hat, im November 2014 das Projekt "Kurz vor 3" gestartet. Mütter und Väter mit Kindern unter drei Jahren seien nicht verpflichtet, sich einen Job zu suchen, wie Jobcenter-Geschäftsführerin Anette Farrenkopf erklärt. Baljeet K. nahm dennoch die Einladung zu einer Informationsveranstaltung an - und blieb, freiwillig. In Indien hatte sie Abitur gemacht und einen Computerkurs absolviert - aber eine Ausbildung, die hier anerkannt würde, hatte sie nicht. So sei das oft, "es ist viel Potenzial da", die Frauen wollten sich während der Elternzeit weiterbilden, freiwillig, "aber sie brauchen Unterstützung", sagt Susan Eddey, ihr Coach bei Avanta. 84 Prozent der Teilnehmerinnen sind Migrantinnen, sie kommen aus 49 Ländern, ihnen fehlen die Kenntnisse, wie man solche Dinge in Deutschland anpackt.

Susan Edey half Baljeet K., ihre Zeugnisse anerkennen zu lassen, organisierte mit ihr einen Kita-Platz für das zweite Kind. Unterstützung gab es auch bei Behördengängen, Beratung zu den beruflichen Möglichkeiten. ",Kurz vor 3' hat mich dabei unterstützt, mich privat und beruflich neu zu orientieren", erzählt Baljeet K., "das war eine schwierige Zeit für mich". Inzwischen sei sie sehr viel selbstbewusster geworden. Im gemeinsamen Austausch entstand ein Plan, den Baljeet K. erfolgreich umgesetzt hat: Sie besuchte eine kaufmännische Grundqualifizierung bei Avanta, erwarb dann den europäischen Computer-Führerschein und verbesserte ihre Deutschkenntnisse. Seit Januar absolviert sie nun eine zweijährige Teilzeit-Umschulung zur Kauffrau für Büromanagement: "Ich will in der Buchhaltung arbeiten." Den Stoff aus der Berufsschule seit September hat sie schon nachgelernt. Mit abgeschlossener Lehre sei es leichter, Arbeit zu finden.

"Eine Ausbildung ist die beste Arbeitslosenversicherung", sagt Anette Farrenkopf. Dem Jobcenter sei wichtig, "dass die Menschen eine Ausbildung machen und sich damit eine berufliche Zukunft aufbauen". Leistungen des Jobcenters erhalten rund 4350 Frauen mit Kindern unter drei Jahren, etwa 1750 davon sind alleinerziehend. Fast zwei Drittel der beim Jobcenter gemeldeten Frauen, die Kinder erziehen, haben keine anerkannten Berufsabschluss, fast die Hälfte kann nur einen Hauptschulabschluss oder nicht einmal den vorweisen.

"Viele Mütter mit Kindern brauchen also Möglichkeiten, um sich zu qualifizieren", sagt Farrenkopf. Diese Chance biete "Kurz vor 3" mit seinem Beratungs- und Workshopangebot für derzeit 164 Teilnehmerinnen, fast die Hälfte von ihnen alleinerziehend. Gerade für jene Frauen, die vor der Elternzeit noch nicht Fuß gefasst hätten im Berufsleben, sei es besonders wichtig, Hürden wie fehlende Qualifikation und geringe Deutschkenntnisse frühzeitig abzubauen, erklärt Monika Stephan, Jobcenter-Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. "Voraussetzung dafür sind ausreichende Kinderbetreuungsangebote." Im vergangenen Jahr konnte das Projekt für 58 Teilnehmerinnen Kita-Plätze sichern. 19 Frauen wurden in Deutschkurse und 18 Frauen in berufliche Qualifizierungen vermittelt. Bei Bewerbungen erhielten 31 Frauen Hilfe, in Ausbildung und Arbeit konnten 17 Teilnehmerinnen wechseln.

Sie habe so "den richtigen Weg für mich gefunden", sagt Baljeet K., "ich kenne jetzt mein Ziel": ihre Prüfung mit guten Noten bestehen. "Ich muss fleißig sein, jeden Tag", sagt die alleinerziehende Mutter. "Aber ich schaffe das."

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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