Polizeikontrolle in München:Reine Schikane

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Alkohol- und Drogentest, und das ohne konkreten Anlass. Ein Zeitungsausträger fühlte sich von einer Polizeistreife schikaniert und forderte Schmerzensgeld. Doch sein Anwalt verklagte die falsche Behörde.

Ekkehard Müller-Jentsch

Man sah sich, und war sich gleich von Herzen unsympathisch. Das nächtliche Zusammentreffen eines Zeitungsausträgers mit einer Polizeistreife endete vor Gericht: Der Bürger fühlte sich von den Beamten schikaniert, wahrscheinlich nicht zu Unrecht, so dass er gute Chancen auf Schmerzensgeld gehabt hätte. Doch Glück für die Polizei: der Klägeranwalt hatte im Behördendickicht den Überblick verloren und die falsche Dienststelle verklagt.

Es war eine eiskalte Winternacht, als der Münchner in der Innenstadt seine Tour zur Verteilung eines Magazins absolvierte. In der Reichenbachstraße stoppte ein Streifenwagen neben seinem Auto. Ein Polizeihauptkommissar und eine Polizeimeisterin stiegen aus: "Die Fahrzeugpapiere bitte." Dann forderten die Beamten den Austräger zum Aussteigen auf: Man wollte ihn blasen lassen. Der Münchner weigerte sich: Ohne konkreten Verdacht wolle er sich keiner Alkoholkontrolle unterziehen. Der Polizist, als hätte er nur darauf gewartet, zögerte keinen Moment: "Wenn Sie es wollen - ich verdächtige Sie, Drogen konsumiert zu haben", sagte er. Der Münchner wollte sich so leicht nicht geschlagen geben und fragte, welche Anhaltspunkte der Polizist für seine Vermutung habe. Der mochte aber nicht länger diskutieren: "Sie steigen jetzt aus, oder ich helfe nach." Das habe ihn "verängstigt", sagte der Münchner vor Gericht, deshalb habe er seinen Wagen dann auch verlassen.

Die Beamten wiesen ihn an, 30 Sekunden mit geschlossenen Augen auf einem Bein zu stehen. "Einer von ihnen fuchtelte mit seiner Taschenlampe herum, so dass ich total irritiert war", sagte der Austräger später. Deshalb habe er vorzeitig die Augen geöffnet und sich auf beide Beine gestellt. Prompt sollte er deshalb Wasser lassen, für einen Drogentest. Der Münchner sagte "nein" und wurde sofort zur Blutentnahme in die Gerichtsmedizin gebracht - unter nachdrücklichem Protest. Der Befund der Amtsärztin war eindeutig: sicherer Gang, unauffällige Pupillen, Bewusstsein klar, Denkablauf geordnet - keine verbotenen Substanzen im Blut.

Der Münchner ließ durch einen Anwalt Klage erheben. Die Polizei habe sich der Nötigung, der falschen Verdächtigung und der Körperverletzung sowie Freiheitsberaubung schuldig gemacht, lautete der Vorwurf. 5000 Euro Schmerzensgeld wurden verlangt.

Die Richter der Amtshaftungskammer am Landgericht nickten bei der mündlichen Verhandlung zuerst mit dem Kopf: Ja, ein amtspflichtwidriges Verhalten der Polizisten sei "naheliegend". In solch einer Situation hätte die Polizei zumindest nicht ohne richterliche Anordnung die Blutkontrolle durchsetzen dürfen. Doch dann folgte das Kopfschütteln, denn darauf kam es gar nicht mehr an: Der Anwalt habe fälschlicherweise die Münchner Einsatzhundertschaft verklagt und auf Hinweise, dass für die Beamten das Bereitschaftspolizei-Präsidium zuständig sei, zu spät reagiert. Deshalb sei der Fall schon verjährt: "Die Klage wird abgewiesen."

© SZ vom 04.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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