Politkarriere:Selfie-made Man

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Florian Hahn sitzt seit 2009 im Bundestag, führt seit Kurzem die Landkreis-CSU und hat offenbar noch mehr vor. Er setzt auf Facebook und sieht sein Netzwerk als Stärke. Kritiker werfen ihm vor, Waffen-Lobbyist zu sein

Von Stefan Galler

Als die Frage aufkam, wer es machen soll, hat Florian Hahn, 41, nicht lange gezögert. Er selbst natürlich. Wer sonst sollte neuer Vorsitzender der CSU München-Land werden. Mancher Christsoziale mag sich darüber gewundert haben, dass sich der viel beschäftigte Bundestagsabgeordnete diese Aufgabe auch noch ans Bein binden wollte. Doch der Politiker aus Putzbrunn hat offenbar noch viel vor in seiner politischen Laufbahn. Da schadet es nicht, wenn man Führungsqualitäten im heimischen Wahlkreis vorweisen kann. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und die Europaabgeordnete Angelika Niebler seien schließlich auch Vorsitzende bei sich zu Hause, sagt Hahn. Gut, Niebler hat das Amt vor zwei Wochen wieder abgegeben.

Bei der Delegiertenversammlung in der vergangenen Woche hat Hahn sich jedenfalls durchgesetzt, er gewann die Kampfabstimmung gegen die Unterhachinger Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer-Stäblein mit 58 Prozent der Stimmen und beerbt damit Ernst Weidenbusch, der dem Kreisverband zwölf Jahre vorgestanden hatte. "Wir sind nach Rosenheim-Land der zweitgrößte Kreisverband in Oberbayern mit fast 3300 Mitgliedern", sagt Hahn. Und weil man auch personell gut besetzt sei, habe man Gewicht in den Fachgremien der Partei: "Das ist schon ein Pfund."

Florian Hahn trat als 15-Jähriger in die CSU ein und sitzt seit 2009 als Direktkandidat für den Landkreis München im Parlament. Er ist hervorragend vernetzt und stets darum bemüht, diese Verflechtungen noch stabiler zu machen, Typ moderner Berufspolitiker eben. "Die Vernetzung ist sicherlich eine meiner Stärken", sagt er. "Ich versuche immer, Leute zusammenzubringen, um Probleme zu lösen." Das hat er als Landesgeschäftsführer der Jungen Union und Referent für Kommunalpolitik in der CSU-Parteizentrale gelernt. 2008 war er drauf und dran, in die freie Wirtschaft zu wechseln. Doch dann kam der Würmtaler Bundestagsabgeordnete Georg Fahrenschon zurück nach München und wurde bayerischer Finanzminister. Hahn holte sich das frei gewordene Landkreismandat bei der Bundestagswahl, nachdem er sich parteiintern gegen vier CSU-Mitbewerber durchgesetzt hatte.

Seither hat er an Profil gewonnen, das attestieren ihm auch politische Gegner. "Er ist erwachsen geworden", sagt eine Sozialdemokratin aus dem Landkreis, einer der mittlerweile hart durchgreifen könne, fügt sie noch hinzu. Die digitale Welt nutzt er nicht nur, um seine zahlreichen politischen Tätigkeitsfelder darzustellen, sondern auch, um zu zeigen, wie weit er politisch schon gekommen ist: Auf seiner Facebook-Seite sieht man Selfies mit Bayerns Finanzminister Markus Söder und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer; Fotos mit Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel und sogar mit Papst Franziskus - dabei ist Hahn gar nicht katholisch und war einst Landesgeschäftsführer des evangelischen Arbeitskreises der Union. Kaum einer im CDU-CSU-Kosmos, den Hahn nicht kennt. Söder nennt er selbst als jemanden, der seine Karriere zu gemeinsamen JU-Zeiten angetrieben hat, ebenso Ilse Aigner. Edmund Stoiber ist so etwas wie ein Idol für ihn: "Ja, ich bin fasziniert davon, wie er mit jeder Pore Leidenschaft für Bayern und Politik verkörpert." Ziemlich schräg formuliert.

Nach seiner Wahl zum Kreisvorsitzenden hat ihm der Ministerpräsident a. D. per SMS gratuliert. Volker Kauder, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, zählt schon deshalb zu Hahns Freunden, weil sie die Leidenschaft für den FC Bayern teilen. Im Parlament gründete Hahn, der Experte für Verteidigungsfragen, ganz offensiv den Bayern-Fanklub "Berliner Fraktion" und scharte dabei nicht nur Parteifreunde wie die Bundesminister Gerd Müller und Alexander Dobrindt um sich, auch der Grüne Dieter Janecek und der SPD-Abgeordnete Lars Klingbeil aus Niedersachsen sind mit dabei. Zur Gründung kamen die früheren Bayern-Profis Paul Breitner und Raimond Aumann in die Bundeshauptstadt. Fürs Bezahlfernsehen gab Hahn kurz darauf ein Interview in der Fröttmaninger Fußball-Arena - in der Halbzeit eines Bayern-Spiels. Keine Frage: Der Schachzug mit dem Fanklub ist aufgegangen. Denn auch die Kanzlerin sympathisiert mit dem FC Bayern, auch wenn sie bisher noch nicht Mitglied bei der mittlerweile 53 Köpfe starken "Berliner Fraktion" ist. "Aber sie schaut öfter mit uns Fußball", verrät Hahn.

Auch die politische Gegenseite zeigt sich von seinem diplomatischem Geschick einigermaßen beeindruckt: "Er hat perfekt das Machtsystem der Politik aufgesogen", heißt es aus SPD-Kreisen. Der CSU-Politiker habe ein hohes Bedürfnis erfolgreich zu sein, sei bisher oftmals im richtigen Moment an der richtigen Stelle gewesen. "Man darf ihn nicht unterschätzen", so die Meinung der Sozialdemokraten.

Denn der Politiker aus Putzbrunn ist nicht nur diplomatisch geschickt, sondern auch fleißig: Die 22 Sitzungswochen verbringt er in Berlin, die Arbeitstage dort sind selten kürzer als zwölf Stunden. In der übrigen Zeit macht der zweifache Familienvater Politik zu Hause: "Ich bin jedes Wochenende und 30 Wochen im Jahr für alle politischen Fragen in meinem Wahlkreis frei buchbar", sagt er. Gerade die Abwechslung, heute in Berlin auf höchster Ebene zu arbeiten und morgen in Taufkirchen eine Kinderkrippe zu besuchen oder in Neuried den Neujahrsempfang, das mache seinen Job so attraktiv. Auslandsreisen gehören ebenso zu seinem Repertoire - Dschibuti, Kosovo, Afghanistan. Hahn ist außen- und verteidigungspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe. Er arbeitet also eng zusammen mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen - natürlich hat er auch mit ihr ein Selfie gemacht, bei einem gemeinsamen Truppenbesuch in Bagdad im Januar dieses Jahres.

Die Bundeswehr kann getrost als Hahns Spezialgebiet bezeichnet werden. Er ist Reservist, beim Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann machte er als Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit seine ersten beruflichen Erfahrungen. Verbindungen zu Unternehmen, die im Verteidigungs- und Rüstungsbereich tätig sind, bestehen auch heute noch, so sitzt Hahn seit 2010 im Aufsichtsrat der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG) in Ottobrunn, ist seit 2013 Vizepräsident der Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe und seit 2014 Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik. Die Errichtung des Ludwig-Bölkow-Campus 2012 ging auf seine Initiative zurück. Auf dem Ottobrunner Airbus-Gelände sollen richtungsweisende Innovationen entwickelt werden, man bietet praxisnahe Ausbildung auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt sowie Sicherheitstechnologie an. Bei diesem Hintergrund kein Wunder, dass Hahn die im März beschlossene Erhöhung des Wehretats auch als persönlichen Erfolg wertete.

Politiker anderer Couleur sehen Hahns Verflechtungen in diesem Bereich skeptisch. Wenn man in der Verteidigungspolitik so auftrete wie Florian Hahn, dann sollte man nicht auch in den entsprechenden Unternehmen aktiv sein, monieren Sozialdemokraten. Auf seiner eigenen Facebook-Seite war Hahn vorgeworfen worden, ein "Waffen-Lobbyist" zu sein. "Das ertrage ich", entgegnet dieser. "Ich wäre froh, wenn wir keine Waffensysteme bräuchten, aber leider ist unsere Welt so, wie sie eben ist." Die Sicherheit sei eine der wichtigsten Aufgaben der Politik. "Da ist es entscheidend, nicht von anderen abhängig zu sein."

Das Netzwerken in eigener Sache könnte sich für ihn auszahlen. Er gilt mittelfristig als Anwärter auf ein Ministerium, ein bayerisches allemal, vielleicht könnte es sogar das Bundesverteidigungsministerium werden, wenn auf die fachfremde Ursula von der Leyen eines Tages eine andere Aufgabe wartet. "Ich will nicht Bundeskanzler werden", sagt er und lacht. Sollte aber die Frage aufkommen, wer es macht, Florian Hahn würde vermutlich einmal mehr nicht lange zögern.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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