Politiker gegen Rechts:Der Seismograf des modernen München

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"Die Sprache wird aggressiver, rassistischer. Sie stachelt zur Gewalt an. Das ist brandgefährlich", sagt Marian Offman. (Foto: Stephan Rumpf)

Über Parteigrenzen hinweg ist CSU-Stadtrat Marian Offman als Kämpfer gegen jede Form der Ausgrenzung anerkannt

Von Heiner Effern, München

Manche Worte brüllen ihn förmlich an, machen ihn wütend. Worte, die bei den meisten Menschen einfach verhallen. Er hört die Bosheit hinter den scheinbar harmlosen Buchstaben, die infame Botschaft in den einfachen Sätzen. Wenn einer im Internet schreibt: "Dann würde diesem Herrn Offman und seinen linken Freunden das Lachen schnell vergehen", nimmt Marian Offman die offensichtliche Drohung wahr. Aber noch viel mehr spürt er die Hetze der Nazis, Hitlers Hass auf die Juden, den dieser 1943 so ausdrückte: "Es wird ihnen das Lachen überall vergehen." Solche Anspielungenen versteht und bekämpft Offman. Er ist ein Seismograf des modernen München. Einer, der Alarm schlägt, wenn der Boden rechts zu beben beginnt.

So wie in diesen Monaten. Pegida. AfD. Bia, der rechtsradikale Ableger im Stadtrat. Die Freiheit, Forum der Islamhasser. Sie alle verbreiten in der Öffentlichkeit Parolen gegen Ausländer, gegen Flüchtlinge, gegen Moslems. Dabei reizen sie die Grenzen zunehmend aus. "Die Sprache wird aggressiver, rassistischer. Sie stachelt zur Gewalt an. Das ist brandgefährlich", sagt Offman. Auf einer der Anti-Flüchtlings-Kundgebungen in der Innenstadt zitierte Pegida-Frontmann Heinz Meyer mehrmals Goebbels: "Wollt ihr den totalen Krieg?" Wochen später sagte er: "Das größte Konzentrationslager der westlichen Hemisphäre steht wo? Nicht in Deutschland. Nein, es steht in Israel. Die haben scheinbar sehr gut gelernt."

Marian Offman bereiten solch unverhohlene Verhöhnungen der Opfer der Shoah Sorge. Die Hemmschwelle bei solchen Attacken sieht er sinken, die Hetzer wechseln zunehmend von versteckten Anspielungen auf offene Beleidigungen. "Das bestärkt verdeckte Rassisten und kocht irgendwann hoch." Auch wenn in München die Zahl der offen auftretenden Rechtsradikalen vergleichsweise gering ist, der schweigende Bodensatz nimmt ihr forsches Auftreten wahr. Jeder Dritte in Bayern teilt nach einer Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2014 ausländerfeindliche Einstellungen. Jeder Achte stimmt antisemitischen Aussagen zu.

Grund genug für Offman, genauso deutlich dagegenzuarbeiten. Er sagt zwar, dass ihm dieser Widerstandsgeist "nicht in die Wiege" gelegt worden sei, doch natürlich hat das sehr viel mit seiner Familie zu tun. Marian Offman kam 1948 in München zur Welt, wuchs in der Stadt auf und fühlt sich "durch und durch als Münchner". Hier sind seine Kinder aufgewachsen, hier engagiert er sich seit Jahren als Stadtrat der CSU und Sozialpolitiker, hier gehört er dem Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde an. Denn natürlich fühlt er sich auch als Jude, sein Glaube ist untrennbar mit ihm und dem Schicksal seiner Familie verbunden. "Das kann man nicht abstreifen. Die Shoah ist permanent da, sie ist Teil der Persönlichkeit." Acht Namen von Verwandten hat Offman in einer Gedenkveranstaltung vorgetragen, als im Rathaus der Opfer des Holocausts gedacht wurde.

Ein eindrücklicher Moment auch für Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). "Das hat mich und viele andere sehr berührt." Über Parteigrenzen hinweg ist Offman als Kämpfer gegen jede Form der Ausgrenzung anerkannt. "Marian Offman ist einer, der immer klar Stellung gegen Rechts bezieht. Ich schätze, mit welcher Hartnäckigkeit und mit welchem Engagement er sich gegen Rassismus, Antisemitismus, gegen die Ausgrenzung und Abwertung von Menschen aufgrund von Herkunft, Hautfarbe oder Religion einsetzt", sagt Reiter. Bürgermeister und CSU-Parteifreund Josef Schmid spürt bei Offman, dass er "aus tiefster innerer Überzeugung" für seine Werte einsteht, übrigens auch als einer der Vizechefs der Fraktion, deren "sozialpolitisches Gewissen" er sei. Einer, der überall hingeht und präsent ist, beim Sozialprojekt um die Ecke ebenso wie beim Kampf gegen Rassisten. "Er war von erster Sekunde an auf diesen Demonstrationen dabei", sagt Schmid.

Tatsächlich kennt Offman keine Berührungsängste. Er stellt sich unter Kapuzenpulliträger, die Pegidisten lärmend niederpfeifen und buhen. Hemmungen, sich als CSU-Stadtrat vorzustellen, kennt er nicht. Auch wenn er damit schon wieder eine radikale Minderheit darstellt. Offman stritt mit dem Islam-Hasser Michael Stürzenberger, bis sie vor Gericht landeten. Und er brüllte im Januar immer wieder "Raus, raus", als die rechtsradikale Freundin eines einschlägigen Stadtrats von der Zuschauertribüne im Rathaus gegen Flüchtlinge hetzte.

Wichtig und erfreulich ist für ihn, dass er sich in seinem Kampf von der Münchner Politik und der Gesellschaft voll unterstützt fühlt. "Man muss Gesicht zeigen, darf keine Angst haben." Wenn er fühlt, dass der Boden rechts bebt, wird er immer wieder dagegenhalten. Und fühlt sich dabei nie alleine.

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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