Pilotprojekt:Buchen statt suchen

Lesezeit: 2 min

Freistaat und Stadt setzen an der Grundschule am Pfanzeltplatz zum ersten Mal das Konzept der "kooperativen Ganztagsbildung" um. (Foto: Robert Haas)

Die Eltern sind zufrieden mit dem neuen Nachmittagskonzept, das in Perlach getestet wird - Bürgermeisterin Strobl nicht

Von Melanie Staudinger, München

Münchens Dritte Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD) hat lange geschwiegen an diesem Dienstag im Bildungsausschuss. Geduldig hat sie sich angehört, wie CSU, SPD und Grüne sich beim Bildungsreferat, beim Kultusministerium und beim Sozialministerium bedankten für das neue Ganztagskonzept, das Stadt und Staat an der Grundschule am Pfanzeltplatz in Perlach ausprobieren wollen. Sie hat sich das Lob und die Einwände der freien Träger und Jugendverbände angehört - gut eine Stunde lang. Dann bremst die SPD-Politikerin die Euphorie. "Das ist nicht mein bevorzugtes Modell", sagt Strobl. Viel lieber wäre ihr, wenn man eine richtige Ganztagsschule eingeführt hätte und nicht ein flexibles Modell. Denn nur der gebundene Ganztag trägt aus ihrer Sicht zur Bildungsgerechtigkeit bei.

Kooperative Ganztagsbildung haben Stadt und Staat ihr gemeinsames Konzept genannt. Diese bayernweit einzigartige Kooperation sieht eine Betreuungsgarantie für Grundschüler mit flexiblen Buchungszeiten vor. Konkret heißt das im Fall der Perlacher Grundschule: Die Eltern melden an diesem Mittwoch ihre Kinder für die erste Klasse am Pfanzeltplatz an und buchen gleichzeitig die Nachmittagsbetreuung dazu. Sie können wählen, ob sie ihr Kind lieber in die klassische Halbtagsschule schicken und anschließend betreuen lassen wollen oder ob es eine rhythmisierte Ganztagsklasse besuchen soll, in der sich Lern-, Erholungs- und Spielphasen am Vormittag und am Nachmittag abwechseln. Unabhängig von der gewählten Variante kann das Kind grundsätzlich von acht bis 18 Uhr angemeldet werden, von Montag bis Freitag, in der Schulzeit ebenso wie in den Ferien. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) wird die Betreuungsform organisieren, die auch Abhilfe schaffen soll beim Erziehermangel, weil zum Beispiel auch Lehrer in der Nachmittagsbetreuung eingesetzt sind.

"Wir wollen die Vorteile aller bisherigen Betreuungsangebote vereinen: die Flexibilität der Mittagsbetreuung und die hohe Qualität von Hort und Tagesheim", sagt Stadtdirektor Peter Scheifele. Eine unverbindliche Elternbefragung in Perlach hat ergeben, dass das Angebot ankommt, wie Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) erklärt. 81 Familien hätten sich zurückgemeldet, etwa die Hälfte von ihnen (42) bevorzuge die rhythmisierte Variante - im stadtweiten Vergleich ein hoher Wert. Warum das so ist, zeigt eine zweite Zahl, die Zurek präsentiert: 26 der 42 Familien wollen nämlich zusätzlich im Anschluss an die Ganztagsschule, also nach 15.30 Uhr, und in den Ferien eine Betreuung für ihr Kind. 28 Familien würden sich hingegen für die Halbtagsschule mit flexibler Betreuung entscheiden, fünf Eltern antworteten, dass sie sich beide Optionen vorstellen könnten, sechs ließen die Frage nach dem bevorzugten Modell offen.

Die Eltern profitieren von der Betreuungsgarantie, die Schulen, weil sie den Ganztag nur mehr mit einem Partner organisieren - und die Kinder? Für die sollen nun passende pädagogische Konzepte entwickelt werden, damit sie sich nicht so fühlen, als seien sie den ganzen Tag in der Schule eingesperrt. Immerhin: Hausaufgaben soll es am Pfanzeltplatz nicht mehr geben, wie Michael Rißmann vom Kultusministerium verrät. Möglichst schnell soll das Modell auf andere Schulen ausgeweitet werden. 2019 sollen zehn Grundschulen hinzukommen. Welche das sein werden, könnte schon in zwei Monaten feststehen, sagt Stadtdirektor Scheifele. Nun wollen Stadt, Staat und AWO aber erst einmal die verbindliche Anmeldung am Mittwoch abwarten.

In einer früheren Version wurde Stadtdirektor Peter Scheifele versehentlich der SPD zugeordnet. Scheifele gehört aber keiner Partei an.

© SZ vom 11.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: