Personalrat:Verunsicherte Helfer

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Die Branche klagt über unklare Regelungen und geringe Löhne

Interview von Christina Hertel, München

Walter Winterstötter arbeitet seit 37 Jahren für das Bayerische Rote Kreuz (BRK) in Freising. Die meiste Zeit war er selbst auf der Straße unterwegs, als Rettungsassistent. Momentan sitzt er am Schreibtisch. Als stellvertretender Vorsitzender im Gesamtpersonalrat des BRK kümmert er sich um die Interessen der Mitarbeiter in Bayern. Er erzählt, was den Beruf so anstrengend macht und was sich aus seiner Sicht ändern sollte.

SZ: Sie sind fast 60 Jahre alt. Schafft man den Job als Rettungssanitäter in dem Alter überhaupt noch?

Walter Winterstötter: Es ist tatsächlich sehr schwierig. Die Schichtarbeit, die unregelmäßigen Arbeitszeiten, das schwere Heben sind im Alter eine große Belastung. Ich kenne viele ältere Kollegen, die früher aufhören und erhebliche Abschläge bei der Rente hinnehmen müssen. Für sie bräuchte es Regelungen - zum Beispiel eine Altersteilzeit.

Wie viel verdient man im Rettungsdienst?

Es kommt darauf an, welche Qualifikation man hat und wie viele Zulagen man bekommt. Beim BRK sind es im Schnitt zwischen 2600 und 3180 Euro brutto. Zulagen für Nachtschichten oder Feiertagsdienste sind da schon miteingerechnet. Bei anderen Organisationen sieht es ähnlich aus. Ich finde, das ist zu wenig.

Spüren Sie einen Personalmangel?

Alle Organisationen im Rettungsdienst kämpfen damit, dass sie nicht genug Mitarbeiter finden. Das hat nicht nur mit der Entlohnung zu tun, sondern auch mit den Arbeitsbedingungen insgesamt. Zum Beispiel können sich Rettungskräfte oft nicht darauf verlassen, dass sie an einem freien Tag auch wirklich frei haben. Wenn jemand krank ist, kann es sein, dass sie trotzdem ran müssen.

Was darf man als Rettungsassistent eigentlich alles?

Das Problem ist, dass die gesetzliche Lage momentan überhaupt nicht klar ist. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie zum Beispiel eine Infusion anlegen. Die Kollegen müssen aber oft in einer Grauzone handeln. Notfallsanitäter - diese Ausbildung ist neu - könnten einmal mehr Befugnisse haben. Ihre Ausbildung dauert länger, nämlich drei statt zwei Jahre. Es werden also mehr Inhalte vermittelt. Doch auch was ein Notfallsanitäter darf, ist momentan nicht klar. Zurzeit werden entsprechende Vorgaben erarbeitet

Führt das zu einer Unsicherheit bei den Mitarbeitern?

Ja, die Kollegen sind zurzeit sehr verunsichert. Sie fragen sich, welche Folgen ihre Arbeit haben kann. Da geht es auch um Haftungsansprüche. Wir merken, dass immer häufiger und immer schneller geklagt wird. Das ist ein großes Problem.

Man hört in letzter Zeit immer häufiger, dass Helfer beleidigt und sogar attackiert werden. Beobachten Sie das auch?

Wir merken tatsächlich, dass Mitarbeiter immer öfter bedroht und angegriffen werden. Vor allem wenn Alkohol im Spiel ist. Das gab es in der Form früher nicht.

In München sind sieben Organisationen im Rettungsdienst unterwegs. Welchen Unterschied macht das für Patienten?

Gar keinen. Die Rettungswagen sind alle gleich ausgestattet und die Mitarbeiter gleich ausgebildet. Ein Problem ist, dass neue Rettungswachen nur für fünf Jahre an einen bestimmten Anbieter vergeben werden. Meistens gewinnt der günstigste. Weil man beim Material nicht sparen kann, passiert das eben bei den Personalkosten. Dieses System halte ich für falsch.

© SZ vom 05.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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