Partnersuche im Internet:Der Reiz des Unverbindlichen

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Ein Sozialpsychologe über die Liebe per Mausklick

Interview von Elisa Harlan, München

"Liebe ist kein Zufall" - mit solchen Slogans werben Singleportale. Doch was ist dran an der Partnersuche im Internet? Ein Gespräch mit Werner Degenhardt, Sozialpsychologe an der LMU.

SZ: Herr Degenhardt, was macht Online-Dating mit der Liebe?

Werner Degenhardt: Die Liebe wird zum Handel mit "attraktiven" Partnern, was aber nicht ausschließlich schlecht sein muss. Der Online-Beziehungsmarkt ist ein Markt mit all den dazugehörigen Mechanismen: Die einen preisen etwas an, die anderen suchen sich ihre Produkte aus. Das Trommeln gehört auch hier zum Handwerk, auf Seiten der Anbieter mit geschönten Benutzerzahlen und Erfolgsraten, aber natürlich auch auf Seiten der Nutzer, die sich selbst in einem arg schönen Licht darstellen.

Wie viele Menschen nutzen inzwischen Online-Dating?

Da wird mit großen Zahlen hantiert. Über 30 Prozent aller Beziehungen entstehen angeblich heute online, es gibt mehr als 2500 Singlebörsen in Deutschland, die 100 Millionen Mitglieder in ihren Datenbanken haben. Richtig viel wert sind solche Zahlen allerdings nicht. Die Anbieter, die sie veröffentlichen, haben Interessen, die der wissenschaftlichen Wahrheit zuwiderlaufen, und auch die Befragten antworten nicht ganz ehrlich.

Was sind denn die größten Unterschiede zwischen Online- und Offline-Dating?

In der Kneipe weiß man noch nicht so genau, wem man da gegenüber sitzt. Wenn man sich online kennenlernt, sind die Eckdaten vor dem ersten Treffen schon bekannt. Die Regeln sind ansonsten recht ähnlich: Frauen suchen Männer mit Humor, Männer suchen Frauen mit Freude am Sex, so wird gesagt.

Funktioniert das sogenannte Matching bei Online-Partnerbörsen besser als die herkömmliche Partnersuche?

Eine Liebesbeziehung ist immer etwas ganz individuelles. Das Versprechen, den perfekten Partner zu finden, der dann auch der perfekte Partner bleibt, können die Dating-Portale deshalb prinzipiell nicht halten. Vielleicht können Sie helfen, diejenigen auszusortieren, die gar nicht passen, aber das Ziel, die Person zu finden, die sicher zu uns passt, wird verfehlt. Ein empirisches Ergebnis ist: Die Beziehung nach einer Online-Vermittlung verläuft genauso gut oder schlecht wie bei anderen Formen der Anbahnung. Die Matching-Fragebögen gehen ja davon aus, dass Ähnlichkeiten im Wesen beider Partner automatisch zu größerer Liebe führen, was natürlich nicht stimmt.

Welche Zielgruppe nutzt Online-Dating am häufigsten?

Beziehungsvorsichtige Menschen haben beim Online-Dating mehr Zeit, ihre Unsicherheiten zu überwinden. Die Beziehung bleibt lange unverbindlich, vielleicht für immer, und trotzdem ist immer wieder jemand da, mit dem man es versuchen könnte, wenn man wollte. Ansonsten gibt es viele Ältere, die das Internet zur Partnersuche nutzen. Das Vorurteil, dass Ältere eher ruhigere Beziehungen suchen, ist falsch. Viele hauen noch mal richtig auf den Putz. Die Akademiker haben ihre eigenen Portale, genauso wie besondere Randgruppen, wie Motorradfahrer oder Heavy-Metal-Hörer.

Lohnt es sich beim eigenen Profil zu schwindeln?

Eher nicht, denn wenn was draus werden soll, kommt irgendwann der Realitätscheck. Bei manchen Dingen wird natürlich geschönt. Männer schreiben oft nicht so genau rein, dass sie heute weniger Haare haben als auf dem alten Foto, weil Frauen angeblich volles Haar bevorzugen. Aber wenn eine Liebe scheitert: An den Haaren liegt es meistens nicht.

Ist es mit Online-Dating nun schwerer oder einfacher, einen Partner zu finden?

Noch nie hatte man eine so große Auswahl an potenziellen Partnern, was natürlich durch die schiere Menge an Angeboten auch überfordern kann. Dennoch: Wenn man heute keinen Partner findet, ist man selber dran schuld. Das hört sich hart an, aber man kann sich kaum der Einsicht verschließen, dass man selbst die einzige Konstante in allen gescheiterten Beziehungen ist.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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