Parteitage von SPD und Grünen:Weit entfernt von Selbstzerfleischung

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Wohl temperiert ging es bei den Parteitagen zu. (Foto: Robert Haas)

Obwohl die SPD in München bei der Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis aller Zeiten erzielt hat, sind die Genossen vor der Landtagswahl in aufgeräumter Stimmung. Ähnliches ist beim Grünen-Parteitag zu besichtigen

Von Heiner Effern und Thomas Schmidt, München

Man hätte ja auf eine hoch nervöse Partei treffen können, die mit sich und ihrer Zukunft in der Stadt ringt. Bis zur Erschöpfung möglicherweise, oder bis zur Selbstzerfleischung. Schließlich liegt das schlechteste Ergebnis aller Zeiten bei einer Bundestagswahl in München erst ein halbes Jahr zurück. Doch an den langen Tischen im Saal herrscht entspannte Ruhe. Die Delegierten des SPD-Stadtparteitags zur Landtagswahl im Oktober lauschen der Rede von Markus Rinderspacher, der so sehr Fraktionschef seiner Partei im Maximilianeum ist, dass man manchmal vergisst, dass er auch als Abgeordneter den Stimmkreis Ramersdorf vertritt. Rinderspacher trägt geschliffen, aber auch sehr temperiert vor, was die CSU alles verbockt und die SPD angestoßen hat. Der Applaus ist angemessen lange und herzlich.

Auch der Parteitag der SPD gibt sich also wohltemperiert. Den Saal hat man an diesem Samstagvormittag wieder einmal vom DGB gemietet, herzlichen Dank dafür, Getränke und Essen gibt's drüben im Salettl. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat sicher andere wichtige Termine. Alles wie immer, Sachpolitik statt Nervosität ist das Motto. "Wir nehmen uns der tatsächlichen Probleme der Menschen an", sagt etwa der Münchner Parteivize und Landtagsabgeordnete Florian von Brunn. Aus Sicht der Stadt müssten deshalb vor allem drei Schwerpunkte ins noch nicht verabschiedete Wahlprogramm: bezahlbares Wohnen, eine bessere Verkehrsinfrastruktur und mehr soziale Gerechtigkeit.

Klar sagt von Brunn auch, was die SPD nicht will: eine Zerstückelung des S-Bahnnetzes im Rahmen der Privatisierung und eine dritte Start- und Landebahn am Flughafen. Die längste Debatte entspinnt sich um die längst geklärte und von der Parteimehrheit erneut abgelehnte Frage nach einem Autobahnsüdring. Eine Mehrheit findet sich dagegen dafür, im Wahlprogramm Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wegen des Verkaufs der staatlichen GBW-Wohnungen persönlich zu geißeln.

Vieles wie immer. Bis auf eine Szene: Die bisherige stellvertretende SPD-Vorsitzende in der Stadt, Isabell Zacharias, wird verabschiedet. Die Landtagsabgeordnete hat ihr Parteiamt zum Jahresanfang niedergelegt. Aus familiären Gründen, wie alle tapfer behaupten. Dabei weiß zumindest jeder aus dem inneren Zirkel, dass der Grund für Zacharias' Ausscheiden gerade neben ihr steht und die üblichen Lobesworte aufsagt. Das Verhältnis zwischen Stadtchefin Claudia Tausend und Zacharias gilt als zerrüttet, spätestens seit sie bei der Wahl des Bezirksvorsitzenden der Oberbayern-SPD auf unterschiedlichen Seiten kämpften. Doch nicht nur die CSU kann Theater: Rede und Geschenkübergabe kommen gut rüber, Zacharias schluckt ihre Emotionen und eine Antwort hinunter. Nachfolgerin wird Micky Wenngatz.

Markus Rinderspacher trug bei der SPD vor, was die CSU alles verbockt habe. (Foto: Robert Haas)

Kurioserweise sind gerade Wenngatz und Zacharias ein Grund, warum die SPD vor der Landtagswahl nicht verzagt. Die Ausgangslage mit der schmerzhaften Regierungsbildung in Berlin und dem diesmal fehlenden Bonus eines Spitzenkandidaten Christian Ude könnten ja dazu führen. Aber Zacharias trauen manche Genossen ebenso wie ihrer Landtagskollegin Ruth Waldmann zu, ein Direktmandat zu gewinnen. Und die gut vernetzte Wenngatz soll auch viele Stimmen ziehen.

Platz zwei in München hinter der CSU sollte im Gegensatz zur Bundestagswahl auf keinen Fall verloren gehen. Bei der Landtagswahl im Jahr 2013 betrug der Abstand auf die Grünen bei den Gesamtstimmen noch deutliche 20 Prozent. Diese schoben sich in der Bundestagswahl aber vor die SPD und gelten seither intern als ein Hauptgegner im Kampf um Wähler. Auf dem Parteitag kommen sie so gut wie nicht vor.

Den Gegner CSU ging auch Katharina Schulze bei den Grünen an, es sei heuer ein "Haltungswahlkampf". (Foto: Robert Haas)

Die früheren Koalitionsfreunde in der Stadtpolitik, die Grünen, haben ihren Parteitag zur Landtagswahl auch auf Samstagvormittag angesetzt. Gemütlich geht es zu im Paulaner Bräuhaus. Florian Roth, Fraktionschef im Rathaus, spielt mit seiner kleinen Tochter. Ex-Dritter-Bürgermeister und Überraschungs-Landtagskandidat Hep Monatzeder begrüßt bestens gelaunt alte Weggefährten. Vor lauter Plausch und Kaffeetrinkerei wird der Applaus für Katharina Schulze glatt vergessen, als die Spitzenkandidatin ans Rednerpult tritt. Sei es drum, "die Katha" spricht natürlich trotzdem.

Sie versucht sogleich, mit ihrer Vorstellung des Entwurfes für das Wahlprogramm ein bisschen Feuer ins Kaffeekränzchen zu bringen. Der politische Gegner ist schnell ausgemacht: "Das ist der Anfang vom Ende der absoluten Mehrheit der CSU", beginnt sie. Dieser Wahlkampf sei ein "Haltungswahlkampf". Die Freiheit sterbe scheibchenweise, sagt Schulze, "und die CSU schneidet große Stücke von unserer Freiheit ab". Gemeint ist das neue Polizeiaufgabengesetz in Bayern. Die Grünen seien "der Gegenpol zur CSU". Die SPD erwähnt sie mit keinem Wort, grüne Ideen für die Stadt im Wahlprogramm auch nicht. Am Ende gibt es für sie einen - inzwischen aufgeweckten - Applaus.

Danach wird viel über Grundsätzliches im Wahlprogramm diskutiert, speziell zum Thema Flüchtlinge. Die Wohnproblematik soll noch stärker reinkommen, und die Forderung, gesetzliche Voraussetzungen für eine City-Maut zu schaffen.

Ansonsten auch bei den Grünen vieles wie immer: Ein Parteimitglied fordert schriftlich, die Stadtversammlung möge beschließen, dass "Anträge einzelner Mitglieder nicht grundsätzlich unerwünscht sind". Ein weiterer Antrag verlangt, bei Versammlungen nur Leitungswasser statt Mineralwasser anzubieten.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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