Oktoberfest macht Überstunden:Alphornbläser auf der Anden-Wiesn

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Zum siebten Mal wird angezapft: Ein waschechter Bayer bringt Peruanern das Schuhplatteln bei.

Bianca Kellner-Zotz

Die Bierzeltgarnituren hat ein Schreiner aus der Gegend gebaut, die billigen aus China haben nichts getaugt. Der Hopfen kommt aus Deutschland, die ortsansässige Brauerei hält sich an das Reinheitsgebot. Ein Peruaner deutscher Abstammung backt Brezen. Und das Rezept für die Weißwürste, das hat der Schauberger Sepp aus München mitgebracht. Jetzt fehlt nur noch die Blasmusikkapelle aus Garmisch, dann kann es losgehen, das Oktoberfest "en Perú".

Sepp Schauberger (Mitte) mit seiner Eisstockschützen-Mannschaft fällt schon sein ganzes Leben lang mit kreativen Ideen auf. Auch die Anden-Wiesn in Peru hat er ins Leben gerufen. (Foto: Foto: oh)

Zum siebten Mal steigt die Anden-Wiesn in der peruanischen Hauptstadt Lima, heuer vom 23. bis zum 26. Oktober. Dann ist in München längst Schluss mit der Bierzelt-Gaudi, die der Sepp jedes Jahr besucht - und immer noch dazulernt. In der alten Inkastadt Cuzco wird in diesem Jahr zum ersten Mal "o'zapft". Auf 3200 Metern Höhe. Alphornbläser sollen auftreten und Goaßlschnalzer. Ur-Bayern zeigen den Peruanern das Schuhplatteln.

2007 kamen 15.000 Menschen zur Bayern-Party, deren Sponsoren unter anderem Siemens, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, BASF und MAN sind. Ein Beitrag zur deutsch-peruanischen Freundschaft, Anziehungspunkt für Touristen und Marktplatz für Wirtschaftsbeziehungen. Hunderte Haxn werden die Gäste vertilgen, Bedienungen im Dirndl schleppen Maßkrüge durch die Reihen. Und wer hat's erfunden? Natürlich ein waschechter Bayer.

Die Wadl sind noch immer stramm

Sepp Schauberger hat mehrere kreative Ideen gehabt in seinem Leben, das peruanische Oktoberfest ist nur eine davon. Irgendwie hat er einen Riecher für Chancen und durchaus Mut zum Risiko. Seine Lederhose passt ihm wie angegossen, die Wadl sind noch immer stramm. Der graue Vollbart lässt ihn gemütlich aussehen, dabei hält der 60-Jährige nichts vom Müßiggang. Bei ihm muss sich was rühren, Langeweile ist ihm ein Graus.

Deshalb hielt es den Garmisch-Partenkirchener wohl auch nicht im heimischen Kfz-Betrieb des Vaters. Zwar machte er eine Lehre zum Automechaniker und nach einem abgebrochenen Ingenieur-Studium auch seinen Meister. Aber bleiben wollte er nicht. Zunächst ging er Anfang der 1970er Jahre als Reiseleiter nach Spanien. Dann las er in einer Zeitungsannonce, dass der Deutsche Entwicklungsdienst Fachkräfte für Südamerika suche. Vor 35 Jahren stieg er in ein Flugzeug nach Chile. Dort kam er nie an. Pinochet putschte gegen Allende, woraufhin der Pilot lieber darauf verzichtete, in einen Bürgerkrieg hineinzufliegen.

Er landet stattdessen in der peruanischen Hauptstadt Lima. Sepp Schauberger steigt aus - und bleibt. Er arbeitet als Berufsschullehrer, vermittelt vom Deutschen Entwicklungsdienst. Auf einer Privatfeier lernt er seine Frau kennen, die er kurze Zeit später mit nach Hause nimmt, nach Bayern. Aber er fühlt sich nicht mehr daheim. "Es war uns alles zu eng, zu klein. Die Leute erschienen uns unfreundlich, genauso wie das Wetter."

Eisstockschießen in Peru

Das Paar geht zurück nach Peru, Schauberger übernimmt in Lima eine Kfz-Werkstatt, handelt im Auftrag deutscher Zulieferfirmen mit Ersatzteilen. Das Geschäft geht gut, die Familie ist wohlhabend. Schauberger wird Vater von drei gesunden Mädchen. Die Kinder wachsen zweisprachig auf, inklusive einer gehörigen Portion bayerischen Brauchtums. Sonntagvormittag läuft Blasmusik, mindestens einmal in der Woche geht es zum Eisstockschießen. Auf einer Asphaltbahn versteht sich, denn selbst im Winter hat es in Peru um die 14 Grad Celsius.

Während eines Heimaturlaubs in Garmisch kommt Schauberger zusammen mit einigen Stammtisch-Spezl'n eine neue Idee: Er gründet in Peru einen Eisstock-Club, mit dem er 2004 erstmals bei den Weltmeisterschaften antritt. Die Regeln besagen, dass nur die Hälfte des Teams aus dem Herkunftsland stammen muss. Schauberger schmunzelt: "Da haben wir nicht nur Peruaner, sondern auch ein paar gute Schützen aus Garmisch mitgenommen."

Das Team spielt in Landestracht, mit Inka-Mützen aus Alpaka-Wolle. 2008 belegte Peru den sechsten Platz und lag damit hinter Guatemala, aber vor Kenia und Paraguay. 28 Millionen Einwohner hat Peru, darunter sind mehrere tausend Deutsche. Und ein Bayer, der die Nationalmannschaft Perus im Eisstockschießen anführt.

Heimweh? Die Antwort kommt schnell und in breitestem Garmischer Dialekt. "Nein. Ich komme gerne zu Besuch nach Deutschland, aber ich fahre auch gerne wieder zurück." Seine Töchter hat er in die alte Heimat geschickt, damit sie einen "gscheiden" Beruf lernen. Zwei leben in München, eine studiert in Regensburg. Selbst zurück zu kommen, kann er sich überhaupt nicht vorstellen. "In Deutschland ist viel zu viel verboten und vorgeschrieben. Das fängt bei den Steuern an und hört beim Rauchen auf." Außerdem hat er schon wieder ein Projekt am Laufen. Er will die Wirtschaft im Deutschen Club in Lima übernehmen. Seine Vision: "Eine Fusionsküche zwischen Bayerisch und Peruanisch."

© SZ vom 22.10.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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