Ökostrom-Tarif der Stadtwerke:Günstig, aber nicht grün genug

Lesezeit: 2 min

"Der Tarif ist ökologisch fragwürdig": Umweltverbände kritisieren den neuen Ökostrom-Tarif der Stadtwerke München und zweifeln am ökologischen Nutzen.

Michael Tibudd

Mehrere Umweltschutzorganisationen warnen vor dem neuen Ökostrom-Tarif der Stadtwerke München (SWM). "Der Tarif ist ökologisch fragwürdig", sagt Andree Böhling, Energieexperte von Greenpeace. Es entstehe kein zusätzlicher ökologischer Nutzen, weswegen das Produkt nicht empfehlenswert sei. Ähnliche Kritik gibt es vom Bund Naturschutz in Bayern. "Tarife dieser Art bergen immer die Gefahr von Missbrauch", sagt Energiereferent Herbert Barthel. "Wenn man wirklichen Ökostrom will, muss man darauf achten, dass der Versorger auch die tatsächlichen Strommengen erwirbt", sagt Barthel.

Die Stadtwerke investieren auch in Windparks, um ihr ehrgeiziges Ökostrom-Ziel bis 2025 zu erreichen. (Foto: Ingo Wagner/dpa)

Das ist bei dem Tarif, den die Münchner Stadtwerke seit kurzem bewerben, zumindest nicht grundsätzlich der Fall: Der städtische Energieversorger kauft für die Ökostrom-Mengen, die er nicht selbst produziert, sogenannte Grünstromzertifikate hinzu. Diese werden auf einem europaweiten Markt gehandelt. Kritiker dieses Systems bemängeln seit langem, dass auf diese Weise herkömmlich erzeugter Strom zu Ökostrom umetikettiert werden könne.

Bislang hatten die Stadtwerke keinen entsprechenden Tarif im Angebot. In der vergangenen Woche aber begannen sie nun, den Tarif "M-Ökostrom" massiv zu bewerben - gleichzeitig mit der Ankündigung, die Preise für Strom insgesamt zum 1.April zu erhöhen. Das Produkt M-Ökostrom vermarkten die SWM nun sogar als die günstigere Alternative zu den sonstigen Tarifen ohne Öko-Label. Verkauft wird der Tarif ausschließlich über das Internet, jeglicher Kontakt zwischen Kunde und Versorger findet im Netz statt. Das senkt die Verwaltungskosten und ist als solches nicht neu - einen günstigen Internet-Tarif führen die SWM schon seit Jahren.

Neu ist, dass dieser Tarif ein Ökostrom-Label hat. "Im Moment produzieren wir die Strommenge dafür in eigenen Wasserkraftwerken", sagt SWM-Chef Kurt Mühlhäuser. "Aber bei steigender Nachfrage können wir nicht garantieren, dass das so bleibt." Dann kommen die Zertifikate ins Spiel: Für Beträge zwischen 0,05 und 0,1 Cent pro Kilowattstunde erkauft sich der Anbieter das Recht, seinen Strom als Ökostrom weiterzuverkaufen, egal, aus welcher Quelle er stammt - bei einem Endpreis von rund 22 Cent für den Kunden ein sehr geringer Anteil. Zu dieser weit verbreiteten Praxis ließ Kurt Mühlhäuser in der Vergangenheit schon mal die eine oder andere abfällige Bemerkung gegen Konkurrenten fallen, die mit solchen Tarifen am Markt auftraten.

Nun also ein Sinneswandel? Keineswegs, sagt Mühlhäuser. "Falsch ist der Weg über die Zertifikate dann, wenn man selbst nicht in erneuerbare Energien investiert, also gar keine eigene Initiative zeigt." In diesem Verdacht stehen die Münchner Stadtwerke tatsächlich nicht: Bis zum Jahr 2025 wollen sie mehr als neun Milliarden Euro investieren, um dann so viel Ökostrom in eigenen Anlagen zu produzieren, wie in München insgesamt verbraucht wird. Viele Projekte auf dem Weg dorthin sind schon angestoßen, der Münchner Investitionsplan gilt bundesweit als Vorzeigemodell. Fertig ist allerdings das wenigste davon: Aktuell liegt der Ökostrom-Anteil in der Produktion der Stadtwerke bei neun Prozent.

© SZ vom 17.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: