NullAchtNeun:Wo die rote Sonne im Meer versinkt

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Der Münchner ist nicht leicht zufriedenzustellen: Er gibt sich nicht mit dem Sonnen an der Isar zufrieden, sondern will Capri.

Nadeschda Scharfenberg

Unsereinem ist es ja nie recht zu machen. Kürzlich, als der Winter uns noch fest im Griff hatte, kreisten unsere Gedanken und Gespräche einzig und allein um die Frage, wann denn der Frühling endlich käme. Kaum ist er jetzt mit aller Kraft über uns hereingebrochen, da lässt er uns mit seinen kecken Sonnenstrahlen schon wieder kalt.

Der Münchner strebt nach immer mehr Wärme - auch wenn das Wetter toll ist. (Foto: Foto: AP)

Die Sehnsucht nach noch mehr Wärme ist längst erwacht. Ach, Italien! Läge der Brenner doch schon hinter uns! Ein Gläschen Rotwein in einer Bar am Meer, aus dem Radio röhrt Gianna Nannini, untermalt vom Gluckern der Wellen. Da kann der Münchner Frühling, mit Verlaub, dann doch nicht ganz mithalten.

München aber ist nicht ganz unschuldig an des Deutschen Sehnsucht nach la dolce vita. Von hier führt eine Spur direkt zur Mutter aller Sehnsüchte: Capri. So sehr liebt der Deutsche die felsige Insel im Golf von Neapel, dass er eine Reihe von Dingen nach ihr benannt hat.

Den Ford Capri zum Beispiel, dieses spießig-wilde Gefährt, außerdem das Capri-Eis, das nichts anderes ist als Orangensaft am Stiel und trotzdem so viel besser schmeckt, und natürlich die Capri-Sonne, deren Silberbeutel glitzert wie das Meer im Mittagslicht.

Auto, Eis, Zuckerlimo - sie stehen für den Traum von Freiheit und Leichtigkeit, und eben diesen Traum hat einst ein Münchner in Worte gekleidet: Ralph Maria Siegel, Vater von Grandprix-Dauerbrenner Ralph Siegel (diesmal am Start mit: Montenegro).

1943 textete der selige Siegel senior "Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt", Refrain: "bella, bella, bella, Marie, vergiss mich nie", und heimste damit nach dem Krieg eine der ersten goldenen Schallplatten ein. Auch den Sänger der berühmtesten Version, Rudi Schuricke, einen gebürtigen Brandenburger, zog es, wie kann es anders sein: nach München. Die Aufnahme des berühmten Schmachtfetzens liegt übrigens genau 60 Jahre zurück.

Überhaupt ist dieses Jahr ein Capri-Jahr. Das gleichnamige Stiel-Eis mit Orangengeschmack kam vor 50 Jahren auf den Markt, als Deutschland einen sogenannten Jahrhundertsommer erlebte, und der Ford Capri wird heuer 40. Für einen Einstiegspreis von 6995 Mark war der Flitzer damals zu haben, fast zwei Millionen Exemplare liefen in den folgenden 17 Jahren vom Band. Auch die Capri-Sonne, die überraschenderweise nur natürliche Zutaten enthält und doch fast so kalorienreich ist wie Coca-Cola, feiert ihren 40. Geburtstag.

Einstmals warb Muhammad Ali: "Capri-Sonne ist das Größte nach mir", und tatsächlich ist der Erfolg des Gebräus ungebrochen: 5,6 Beutel trinkt jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr. Die Rekordhalter leben auf La Réunion im Indischen Ozean, sie schaffen 9,6 Tüten. Warum auch immer. Der oberste Capri-Sonne-Fabrikant hat übrigens selbstverständlich ein paar Semester in der Stadt der Capri-Experten studiert: in München.

Zurück zu den Wurzeln, zu Rudi Schuricke und den Capri-Fischern. Mit der Karriere des Sängers ist es irgendwann bergab gegangen. Er hat dann in München einen Waschsalon aufgemacht. Mit Weichspüler kannte er sich schließlich aus.

© SZ vom 25.04.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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