NullAchtNeun:Platz für Konsum

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Die versprochenen Steuersenkungen führen zu einem Luxusproblem: Wohin mit dem vielen Geld? Schön, dass der gute alte Einkaufskorb genügend Platz bietet, um der neuen Lust am Konsum zu frönen.

N. Scharfenberg

Angesichts der größten Steuersenkung aller Zeiten, die ja bald, versprochen ist versprochen, auf uns zukommt, ergeben sich zwei Möglichkeiten: a) Wir müssen uns alle neue, größere Geldbeutel kaufen, weil wir so viel mehr Netto vom Brutto haben werden, dass die Börse platzt, es sei denn, es besitzt jemand eine Stretch-Börse. b) Wir müssen uns alle viele andere schöne Dinge kaufen, damit das Portemonnaie nicht so ausleiert und, quasi im Nebeneffekt, die Wirtschaft dermaßen angekurbelt wird, dass die Finanzkrise ganz flott davonfliegt, der Staat keine Schulden mehr zu machen braucht, die Armen nicht länger arm bleiben und alle Menschen in diesem Land glücklich und satt leben bis zum Ende ihrer Tage.

Solange noch Platz im Einkaufswagen ist, kann weiter eingeladen werden: Das ergibt viele Tüten, die die Kunden mit nach Hause schleppen müssen. (Foto: Foto: ddp)

Fast zwangsläufig drängt sich in diesen heraufziehenden Konsumrausch-Zeiten das Thema Einkaufskorb auf, dessen Daseinszweck es laut der wunderbaren Wikipedia ist, "den Käufern den Transport und das Einsammeln kleinerer Warenmengen im Markt zu erleichtern". Wobei das mit den kleineren Mengen jetzt schon wieder kontraproduktiv ist. In manchen Läden hat deshalb der gute, alte Einkaufskorb ausgedient, der Kunde wird hier mit der Stretch-Variante konfrontiert - einer übergroßen Henkeltasche, frei zur Verwendung zum Einsammeln größerer Warenmengen und nach dem Bezahlen an der Kasse abzugeben.

Die Schweden machen es vor Die schwedischen Möbelhäuser vor den Toren der Stadt sind bei der Ausdehnung des Einkaufskorbs Vorreiter gewesen - und die Sache funktioniert. Eigentlich wollte man ja nur ein paar neue Wassergläser erstehen, doch am Ende drängen sich in der Tasche mehrere Kollateralkäufe: ein Fleischklopfer, ein Dreierpack Duschschwämme, eine Spaghetti-Aufbewahrungsbox und ein schielendes Krokodil mit blauen Beinen, um nur einige zu erwähnen. Was der eine Schwede kann, kann der andere ebenso, weshalb neuerdings auch eine Bekleidungskette die praktischen Einkaufshelfer anbietet, und zwar an mehreren Stellen im Laden. Neben der eigenen Figur und den Kassenschlangen war die begrenzte Tragekapazität der menschlichen Hände bisher das der größte Kaufhindernis. Passé, jetzt macht das Shoppen noch mehr Spaß - und befördert die Wirtschaft in Schweden.

Zurück zu den Einkaufskörben klassischer Provenienz, hinein in den Supermarkt. Die Betreiber der sogenannten Vollsortimenter haben die Vorteile des Einkaufskorbs offensichtlich noch nicht begriffen. Sonst wäre es bestimmt nicht so, dass nie eine Traghilfe verfügbar ist, wenn man sie braucht. Eigentlich wollte man ja nur schnell einen Liter Milch holen - und stellt beim Streifzug durch die Regalreihen fest, dass man noch Lust auf Tiefkühlpizza, Rotwein und Wackelpudding hätte. Weil man für einen Korb aber zurück zum Eingang müsste, bleibt es bei der Milch, 61 Cent der Liter.

Zurzeit gibt es die Körbe nicht einmal mehr am Eingang - "gestohlen, allesamt", brummt die Kassiererin. Bis Nachschub kommt, könne es Wochen dauern. Der Kaufrausch muss warten - im neuen, großen Geldbeutel ist gerade keine Euromünze für den Einkaufswagen auffindbar.

© SZ vom 02.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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