NullAchtNeun:Abschleppseil unterm Christbaum

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Männer müssen sich heutzutage auch noch um die Auswahl der Weihnachtsgeschenke kümmern. Dabei sind sie dafür doch gar nicht geschaffen.

Joachim Käppner

Heutzutage, da die Männer in Alltagsdingen gutwillig sind oder zumindest vage erahnen, dass man Gutwilligkeit von ihnen erwartet, heutzutage also müssen sie sich auch noch um die Auswahl der Weihnachtsgeschenke kümmern. Na gut, nicht ganz allein, aber sie müssen mitdenken, das läuft auf dasselbe hinaus: Man behelligt sie mit Dingen, für die sie nicht geschaffen sind. Als ob sie sonst nichts zu tun hätten.

Wie geht das Verpacken noch einmal? (Foto: Foto: AP)

Sag, was schenkst du dieses Jahr deiner Mutter?

Der abwehrbereite Mann weiß auf diese Frage eine Reihe wirksamer Antworten. Wirksam ist: "Ich hab das im Griff, Liebes" oder "Da bin ich dran", gefolgt von einem raschen, in Militärakademien als rascher Panzergegenstoß bekannten Wechsel der Initiative: "Wir sollten mal wieder zu diesem kleinen Franzosengehen..." Glaubhaft vorgetragen, kann es ihm, dem Mann, gelingen, das Thema auf die lange Bank zu schieben. Abzuraten ist dagegen dringend von "Lass das mal meine Sorge sein", "Was geht Dich meine Mutter an", "Musst du schon wieder damit anfangen, weißt du eigentlich, was gerade im Büro ..." oder dergleichen. Das facht die Debatte erst an, das Feuerchen des Vorwurfs wird schnell zum Flächenbrand, das kann er seinen Nerven nicht zumuten. Denn es ist Ziel des Mannes, die Debatte so schnell wie möglich zu beenden.

Leider schwindet die Kraft der Ausrede mit jedem Tag, da Weihnachten naht. Die Väter hatten es besser. Damals waren die Gattinnen schon gerührt, wenn die Väter überhaupt an Weihnachtsgeschenke dachten. Gut, es gab Krisen, etwa an jenem Heiligabend, als der Vater, vom Nahen der Bescherung und dem frühen Ladenschluss jäh überrascht, im Schneetreiben zur nächsten Tankstelle eilte und mit zwei Packungen jugoslawischer Pralinen und einem Abschleppseil zurückkam. Die Ehefrau zeigte keine Dankbarkeit. Im Gegenteil, das Präsent warf Schatten, die bis ins nächste Jahr hineinreichten.

Sonst aber schenkten die Väter meist teure Parfüms, die sie, beraten von der voluminösen Drogeristin Frau Effelsberg, in der Ladenzeile der Siedlung kauften. Das genügte. An ihre Mütter dachten ihre Frauen. Heute ist Frau Effelsberg Geschichte wie die Ladenzeile, in der sich nun Pizza Service Pronto befindet und nichts, aber auch gar nichts feilbietet, was dem Eiligen aus der Heiligabendnot helfen würde. Und an ihre Mütter müssen die Männer selber denken. Ich suche nichts für Deine Mutter aus, sagen die Frauen, das machst Du mal schön selber.

Aber, was liest sie bloß? Mag sie überhaupt Parfum? Und welches denn? Hat er ihr 07 oder 08 nicht schon einen Gutschein für die Lustige Witwe im Gärtnerplatztheater geschenkt? Liebte oder hasste sie Donna Leon? So viele Fragen. Und so wenig Zeit, es herauszufinden. Noch fünf Tage, dann ist alles zu spät.

© SZ vom 20.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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