Null acht neun:Die Gnade der schlechten Akustik

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Die Münchner Philharmonie und der Herkulessaal besitzen die akustische Qualität eines Heuschobers. Und das ist auch gut so

Von Wolfgang Görl

New York ist eine ganz passable City, aber halt doch nichts gegen München, das viel bessere Weißwürste und einen schöneren Alpenblick hat. Eines aber muss man den New Yorkern lassen: Sie haben einen verteufelt guten Konzertsaal, die Carnegie Hall. Neulich war da ein Chorkonzert, und als an einer Pianissimo-Stelle der Tenor beinahe flüsternd sein Solo sang, hatte man noch in den hintersten Rängen das Gefühl, er hauche einem seine Melodie zärtlich ins Ohr. Zumindest für ein paar Sekunden war das so. Doch gerade als sich der Gedanke einstellte, ein Saal mit solch grandioser Akustik würde auch München zieren, wickelte ein Herr in der vordersten Reihe seinen Kaugummi aus. Es raschelte. Es raschelte so laut, als säße er neben einem. So etwas hat man nur in einem Weltklassesaal. Dazu war das Knarzen eines Stuhls in der Seitenloge zu hören, das zusammen mit dem Schnäuzen einer Dame im Parkett und den Kaugeräuschen des Kaugummi-Menschen eine orchestrale Wirkung entfaltete, die das süßliche Chor-Gesäusel sofort vergessen ließ.

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