Nichtschwimmer:Schwimmunterricht ist so wichtig wie Mathe und Deutsch

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Zwei Tote im Eisbach in diesem gerade erst beginnenden Sommer sind zwei Tote zu viel. Doch viele Bäder schließen - und Schwimmkurse fallen aus.

Kommentar von Nina Bovensiepen

Es sind zwei Tote zu viel. Die zwei Toten sind ein 15-jähriges Mädchen und ein 35-jähriger Mann, beide sind in diesem gerade erst beginnenden Sommer im Münchner Eisbach ertrunken. Die Vorfälle dürften erneut Diskussionen befeuern, ob sich die Sicherheit an den so idyllisch wirkenden, aber gefährlichen Ufern im Englischen Garten nicht erhöhen lässt.

Etwa dadurch, dass Sicherheitskräfte das Badeverbot, das am Eisbach gilt, auch konsequent durchsetzen. Oder dadurch, dass besonders gefährliche Stellen schwerer zugänglich gemacht werden.

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Das sind alles legitime Debatten. Sie führen aber am Kern des Problems vorbei. Dieser besteht schlicht darin, dass immer weniger Menschen schwimmen können. Die 15-Jährige, die an einem heißen Maitag zur Erfrischung in den Bach sprang, war Nichtschwimmerin. Dabei handelte es sich um eine Internats-Schülerin aus München. Das zweite Opfer vom Wochenende konnte ebenfalls nicht oder nur schlecht schwimmen.

Erst kürzlich hat die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft wieder gewarnt, dass die Bundesrepublik zu einem Land der Nichtschwimmer zu werden droht. 59 Prozent der Zehnjährigen können sich demnach nicht sicher im Wasser halten. Ein Drittel der Kinder könne gar nicht schwimmen. Besonders gefährlich ist das in einem Bundesland, in dem so viele schöne Seen und Bäche locken.

Das zeigt auch eine traurige Statistik aus 2016: Bayern verzeichnete im vergangenen Jahr 91 Badetote - mehr als jedes andere Bundesland. In Baden-Württemberg etwa waren es 54, in Schleswig-Holstein 28, im Saarland zwei. Erstmals seit zehn Jahren lag die Zahl der Badetoten in Deutschland 2016 wieder über 500.

Immer mehr Kommunen schließen ihre Bäder

Das hat auch damit zu tun, dass unter den Toten Flüchtlinge waren, die häufig nicht schwimmen können und die Gefahr im Wasser unterschätzen. Aber das alleine erklärt es eben nicht. Auch in der übrigen Bevölkerung gibt es zunehmend zu viele Nichtschwimmer. Das rührt daher, dass klamme Kommunen gerne bei den Bädern das Streichen und Sparen beginnen. In der Folge ist für viele Schulen kein Schwimmbad mehr in erreichbarer Nähe, weshalb der entsprechende Unterricht ausfällt.

Dies muss sich wieder ändern. Denn so elementar es für Schüler sein mag, dass sie Grammatik und Mathematik lernen, und so wichtig es ist, dass Flüchtlinge Deutschkurse bekommen - so fatal ist es, wenn ein Sprung ins Wasser so endet, wie es für die zwei Menschen in München geschehen ist. Nur, weil sie eine vergleichsweise leicht zu erlernende Fähigkeit nicht beherrschten.

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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