Neuwahl des Stadtrats:Tunnelblick

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In Starnberg tobt der Wahlkampf um eine vernünftige Lösung des massiven Verkehrsproblems in der Stadt

Von Peter Haacke, Starnberg

Es ist schon eine kurios anmutende Debatte, die da in Starnberg geführt wird: Einerseits gilt die 23 000 Einwohner zählende Kreisstadt im Süden Münchens als Hort der Reichen und Schönen. Nirgendwo sonst in Deutschland ist die Dichte an Cabrios höher und die Ärzteversorgung besser, sind die Einkommen höher und die Villen teurer als am Starnberger See. Andererseits gibt es nirgendwo einen so erbittert geführten Streit darüber, wie man das seit Jahrzehnten bestehende Hauptproblem der Stadt, die enorme Verkehrsbelastung durch täglich 40 000 Fahrzeuge, lösen könnte: Tunnel? Oder kein Tunnel? Das ist hier die Frage.

Die Gemengelage ist komplex und hat politisch zu tiefen Verwerfungen geführt. Unversöhnlich stehen sich Tunnelbefürworter und -gegner gegenüber, mindestens die letzten drei Kommunalwahlen standen im Zeichen der Röhre. Nachdem aber im März 2014 Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Stimmen festgestellt wurden, die Auswirkungen auf die Besetzung des 30-köpfigen Stadtrats haben könnten, müssen die Starnberger am Sonntag, 19. April, erneut wählen. Seit Wochen tobt ein Wahlkampf, wie ihn Starnberg noch nicht erlebt hat.

Acht Parteien und 240 Kandidaten - so viele wie niemals zuvor - buhlen um die Stimmen. Die Stadt ist zugepflastert mit Bannern und Plakaten, Handzettel verstopfen die Briefkästen, die Parteien machen mit spektakulären Aktionen auf sich aufmerksam. Und es wird mit harten Bandagen gekämpft. Denn das Ergebnis dieser Wahl - darin sind sich alle einig - dürfte entscheidend sein für Starnbergs Zukunft. Zwei Blöcke stehen sich gegenüber: CSU, SPD, Grüne und UWG, die allesamt den Bau des genehmigten, bislang aber vom Bundesverkehrsministerium noch nicht finanzierten B 2 Tunnels als einzig machbare Option betrachten. Und auf der anderen Seite die Bürgerliste Starnberg (BLS), die Wählergemeinschaft pro Starnberg (WPS), das Bündnis Mitte Starnberg (BMS) und die FDP, die statt eines Tunnels eine Umfahrung fordern. Doch die gilt bestenfalls als Vision. Abgesehen von der BLS, die eine konkrete, ortsferne Variante propagiert, verschweigen die übrigen Parteien wohlweislich, wo ihre Umfahrung verlaufen soll - und verweisen auf einen Verkehrsentwicklungsplan, der im Sommer vorliegen soll.

Tatsächlich tangieren sämtliche Varianten Natur- und Wasserschutzgebiete, viele Experten halten den Bau einer Starnberger Nord-Umfahrung schlicht für aussichtslos. Die realistischen Alternativen dürften daher lauten: Tunnel - oder nichts. Dennoch fokussiert sich vor allem die WPS auf die Tunnel-Bekämpfung. Ihre Kampagne schürt Ängste, bietet aber keine Lösungen, und ihr bestes Argument lautet: "Nein, so nicht!"

Das Wahlergebnis ist völlig offen. Einig sind sich die Gruppierungen nur in einem Punkt: Sie hoffen auf eine möglichst hohe Wahlbeteiligung, um endliche klare Verhältnisse zu bekommen. Nicht zur Wahl steht indes Bürgermeisterin Eva John (BMS). Die einstige CSU-Hoffnungsträgerin, längst wegen parteischädigenden Verhaltens aus der Union ausgeschlossen, bleibt Starnberg die kommenden fünf Jahre erhalten.

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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