Neues Projekt:Ins Rollen gekommen

Lesezeit: 2 min

Rikscha-Fahrer kutschieren Senioren durch München - und ermöglichen ihnen, ihr Viertel wieder neu zu erleben

Von Charles Nouledo

Viele Bewohner von Seniorenheimen sind schlecht zu Fuß. Sie sind auf den Rollstuhl angewiesen oder an Demenz erkrankt - und haben deshalb schon lange nicht mehr ihre Umgebung erkundet. Geschweige denn einen Ausflug in die Stadt gemacht. Eine gerade gestartete Kooperation der Münchenstift-Pflegeheime mit dem Rikscha-Unternehmen Pedalhelden will dies nun ändern.

Dominic Staat, Geschäftsführer von Pedalhelden, nennt das Projekt eine "Win-Win-Kooperation". Bewohner des Münchenstifts bekommen die Möglichkeit, auf Wunsch mit der Rikscha aus dem Heim herauszufahren, um ihr Viertel wieder neu zu erleben. Mal wieder zum mehrere Straßen entfernten Park fahren zum Beispiel. Oder Erinnerungen von früher auffrischen. Die Firma Pedalhelden wiederum erhöht dadurch ihre Bekanntheit in der Stadt bei einer älteren Zielgruppe, die vielleicht bisher mit den ungewohnten Gefährten, die eher an Fernost erinnern, nicht gar so viel anfangen konnte. Wenn Rentner nun sehen, wie ältere Fahrgäste mit den Rikschas unterwegs sind, dann buchen sie selbst möglicherweise auch einmal eine Stadttour bei den Pedalhelden. Es geht also auch um Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Senioren sollen öfter mit der Rikscha in der Stadt zu sehen sein.

Das Geschäft mit dem klimaneutralen Fahren sei für das Unternehmen nicht immer einfach, berichtet der Geschäftsführer. Zurzeit kämpften die Pedalhelden beispielsweise mit der Stadtverwaltung um den Erhalt ihres Standortes am Marienplatz, um in zentraler Lage gut sichtbar für die potenziellen Kunden zu bleiben.

Dass die Kooperation mit der Radelfirma jetzt in den Sommer hinein startet, passt Siegfried Benker, Geschäftsführer des Münchenstifts, sehr gut: "Unsere Heimbewohner sollen ihre Verbundenheit mit der Stadt neu erleben. Bei schönem Wetter möchten manche vielleicht gerne in ihre Lieblingseisdiele gehen", sagt er.

Oder auch ein Fest besuchen. Startschuss für das Projekt war am Donnerstag beim Gartenfest zum Tag der Nachbarschaft im Haus an der Rümannstraße. Münchenstift-Chef Benker hätte gern als passionierter Radfahrer für die erste Rikscha-Tour in die Pedale getreten. Doch das dürfe er gar nicht, erläutert er, denn die Fahrer seien für den Job speziell geschult. Für das Projekt ist ohnehin erst einmal den ganzen Sommer über nur eine Rikscha im Einsatz, und die fährt natürlich ein professioneller Fahrer.

Abwechselnd wird das Gefährt den unterschiedlichen Häusern des Münchenstifts zur Verfügung stehen. So wird der eine oder andere der insgesamt rund 2100 Bewohner, der Lust auf Fahrten ins Freie hat, in den Genuss der Rikscha-Runden kommen. Mit der Teilnahme an dem Projekt will die Betreuungseinrichtung ihren Anspruch unterstreichen: "Nicht nur gute Pflege, sondern auch Möglichkeiten einer umweltfreundlichen Unterhaltung, die Spaß macht", sagt Benker.

Das mit dem Spaß sieht Pedalhelden-Chef Dominic Staat auch so - mit den Worten Mahatma Gandhis: "Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen." Tempo ist nicht alles, Umweltschutz jedoch viel. So wollen er und seine Fahrer schon allein durch ihre Präsenz im Stadtbild die Münchner für Klimaschutz und Elektromobilität stärker sensibilisieren.

Radeln und Menschen sensibilisieren, das tut der Rikscha-Fahrer Joscha Köppl mit Leidenschaft schon seit der Gründung des Unternehmens Pedalhelden im Jahr 1997. Mittlerweile zählt die Firma sechs feste Mitarbeiter und rund 50 selbständige Fahrer. Wenn Köppl mit Kunden durch München radelt, denkt er, wie jeder Berufstätige, auch ans Monatsende: "Klar, Geld ist eine Motivation." Aber Geld gibt es auch in anderen Berufen, Rikscha fahren biete ihm zusätzlich etwas Besonderes, sagt er: "An der frischen Luft sein und durch Stadt und Natur fahren."

Und wenn der Plan hinter der jetzigen Kooperation mit den Pflegeheimen des Münchenstifts voll aufgeht, dann hat Köppl bald nicht nur viele ältere Fahrgäste, sondern irgendwann vielleicht sogar neue Kollegen. Denn die Firma will nicht nur Senioren ermöglichen, mal wieder rauszukommen. Sie will durch die Aktion auch Rentner als neue Fahrer gewinnen. Da sind dann natürlich eher die gefragt, die noch gut zu Fuß sind. Denn die Füße braucht man, wenn man ordentlich in die Pedale treten will.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: