Neues Ankunftszentrum:Erst einmal nach Freimann

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Regierung stellt neues Ankunftszentrum für Asylbewerber vor

Von Stefan Mühleisen

In der Allerheiligen-Kirche in Freimann verschließen die Gläubigen nicht die Augen vor der Not von Flüchtlingen - im Gegenteil. Im jüngsten Pfarrbrief steht ein kurzer Aufruf unter dem Titel "Jeder kann helfen". Der Text wirbt für pragmatische Hilfe im Sinne des Ausspruchs der heiligen Teresa von Avila, nicht auf eine leichtere Last, sondern auf einen stärkeren Rücken zu hoffen. Nun hat Christoph Hillenbrand, der Präsident der Regierung von Oberbayern, durchaus ein breites Kreuz, und er ist an diesem Freitagnachmittag in den Pfarrsaal der Allerheiligen-Kirche gekommen, um Rückgrat zu zeigen.

Der Chef der Bezirksregierung hat einen Pressetermin angesetzt, um das neue Ankunftszentrum für Flüchtlinge offiziell vorzustellen, das derzeit auf einer Schotterfläche im Euroindustriepark entsteht. Es wird die künftige Drehscheibe in München, von der aus Asylsuchende auf Unterkünfte in ganz Bayern und teils in der gesamten Republik verteilt werden. Der Termin findet in dem Pfarrsaal statt, weil nach der Presserunde die Freimanner Bürger über die neue Einrichtung informiert werden. "Bis Ende Mai diesen Jahres hatten wir mit 32 000 Personen in der Münchner Aufnahmeeinrichtung bereits so viele Zugänge wie im gesamten letzten Jahr", sagt der Regierungspräsident. Mittlerweile seien die 40 000 überschritten. "Das neue Ankunftszentrum ist die richtige Antwort auf diese dauerhaft hohen Zugänge."

Hillenbrand stellt seine Mitarbeiter als Kümmerer dar. Flüchtlingsorganisationen jedoch hatten die Bezirksregierung bisher als unbekümmerte Behörde wahrgenommen, die die Augen vor der offensichtlichen Misere in der Asyl-Betreuung verschließt. "Dieses Ankunftszentrum war überfällig", sagt etwa Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Er spielt damit auf das bestehende Zentrum an der Baierbrunner Straße an, dessen Funktion nun die neue Einrichtung bis spätestens Ende Juli übernehmen soll.

Das frühere Siemens-Gebäude in Sendling dient bereits seit 26 Jahren als Asylunterkunft, war Durchgangsstation für wohl Zehntausende Menschen. Einst war hier die zentrale Erstaufnahme, bis diese in die Bayernkaserne an der Heidemannstraße verlegt wurde. Schon lange gilt der Bau als marode - dennoch firmiert er seit November 2014 als Ankunftszentrum, als die Bezirksregierung ein neues Verteilungssystem für Asylbewerber etablierte: Hier werden alle Neuankömmlinge in München zunächst erfasst und medizinisch untersucht, danach in andere Bundesländer oder Regierungsbezirke weiterverlegt. Wer in Oberbayern bleibt, bekommt eine hiesige Erstaufnahmeeinrichtung als Unterkunft zugewiesen.

Doch das Haus an der Baierbrunner Straße war und ist dem steigenden Andrang nicht gewachsen. Die Bezirksregierung musste sich einer immer lauter werdenden Kritik erwehren. Als "desolat" und "gefängnisartig" beschrieben Insider vor Weihnachten die Zustände in dem Haus. "Eingepfercht" müssten bis zu 200 Menschen in äußerst stickiger Luft auf ihre Erfassung warten. Der Bau ist auf 150 bis 170 Neuzugänge am Tag ausgelegt; es gab aber Tage mit mehr als 400 Ankömmlingen. Zuletzt schlug der Flüchtlingsrat Ende Mai Alarm. Die Organisation sprach von "eklatanten Missständen" und schrieb in einer Pressemitteilung: "Die dort herrschenden Zustände zeugen von umfassender Respektlosigkeit und Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen der Flüchtlinge."

Regierungspräsident Hillenbrand bemüht sich, diesen Eindruck zu zerstreuen. Eine Power-Point-Präsentation auf einer Leinwand im Pfarrsaal der Allerheiligen-Kirche zeigt, was die Flüchtlinge aus aller Welt bald erwartet: Auf einer Fläche von 2600 Quadratmetern zwischen Carglass- und Mömax-Filiale werden mehrere "winterfeste Leichtbauhallen" sowie Modulcontainer ein Verwaltungszentrum bilden. Der Komplex soll sieben Tage die Woche rund um die Uhr im Betrieb sein; er ist auf einen täglichen Zugang von 350 Personen ausgerichtet, wie Hillenbrand sagt. Auf einem angrenzenden Grundstück an der Lotte-Branz-Straße 2 wird ein sechsstöckiger Gewerbebau in ein Bettenhaus mit 600 Plätzen umfunktioniert. Maximal 24 Stunden sollen die Flüchtlinge hier verweilen, bis sie weiterverlegt werden. Indes: All dies ist nur eine Übergangslösung. In den kommenden zwei Jahren soll im östlichen Teil ein dauerhafter Festbau entstehen.

Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat begrüßt es sehr, dass nun endlich mehr Platz für die Ankömmlinge zur Verfügung stehen wird, zweifelt aber dennoch, ob er ausreichen wird. "Womöglich ist das wieder nur eine Notlösung, die dem Bedarf des vergangenen und nicht des laufenden Jahres gerecht wird", sagt er. Zum Stand Anfang der Woche sind seit Jahresbeginn 40 231 Flüchtlinge in München angekommen; im gesamten Vorjahr waren es 32 000.

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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