Neuer Leiter der Mordkommission:Im Eiltempo zum Chefermittler

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Markus Kraus ist der neue Chefermittler der Münchner Mordkommission. Er ist der Nachfolger des gerade pensionierten Josef Wilfling und mit 36 Jahren noch ziemlich jung für diesen Job.

Christian Rost

Seit Montag trägt er sein Handy immer eingeschaltet bei sich: Das ist für einen 36-Jährigen noch nicht sehr ungewöhnlich, aber wenn Markus Kraus einen Anruf bekommt, geht es fast immer um eine Leiche. Und dann muss es schnell gehen. Raus zum Tatort: Spuren sichten, Zeugen vernehmen, Fahndung einleiten.

Mord ist jetzt sein Geschäft: Kriminalrat Markus Kraus in seinem Büro im Polizeipräsidium an der Ettstraße. (Foto: Foto: oh)

Markus Kraus ist der neue Chefermittler der Münchner Mordkommission. Er sieht viel zu jung aus für diesen Job, und tatsächlich ist Kraus in der Münchner Polizeigeschichte der jüngste Leiter K-11, wie die Abteilung intern heißt. Mit seinem modisch zu einem dünnen Streifen rasierten Bart, den kurzen, dunklen, gegelten Haaren und der athletischen Figur würde der gebürtige Münchner als tüchtiger Kommissar durchgehen, wie man sie auch aus dem Fernsehen kennt.

Im Vergleich zu seinem pensionierten Vorgänger, Josef Wilfling, der den Serienmörder Horst David zu einem Geständnis überredet und die Leichen des Schauspielers Walter Sedlmayr oder des Modezampanos Rudolph Moshammer gesehen hat, wirkt Kraus aber wie ein Polizist, der sich erst bewähren muss. Und das ist tatsächlich der Fall.

Wilfling, Kind einer Flüchtlingsfamilie, musste sich bei der Polizei 20 Jahre lang bis zu diesem Posten hochdienen. "Das einzig spannende an mir ist mein Beruf", hat er einmal gesagt. Er mochte die viele Computerarbeit nicht und fand, die Beschuldigten würden immer mehr Rechte bekommen. Kraus indes nimmt die Sprossen der Karriereleiter im Eiltempo. Nach dem Abitur 1993 begann er im mittleren Polizeidienst, lieferte glänzende Ergebnisse und stieg auf: gehobener Dienst, höherer Dienst. Zwischen Schulungen und Prüfungen immer wieder die Praxis.

Auf Streife war er in Laim und rund um die Theresienwiese unterwegs, auch die scheußlichen Ecken der Polizeiarbeit lernte er kennen. Im Kommissariat für Todesermittlungen kümmerte er sich um Leichen, im Kommissariat für Fälle des sexuellen Missbrauchs um gebrochene Kinder. Für Kraus, Vater von sechsjährigen Zwillingstöchtern, eine extrem harte Prüfung.

Danach wieder büffeln und Prüfungen. Mit 33 Jahren war er so weit, dass er seinen Kollegen etwas beibringen konnte - Kraus wurde Leiter der Abteilung Kriminalistik beim Fortbildungsinstitut der Polizei in Ainring. Er zog mit seiner Familie nach Bad Reichenhall und hätte es dort gut weiter aushalten können angesichts des üppigen Freizeitangebots.

Die Berge kamen ihm "zum Wandern und Mountainbiken" gerade recht. Seine Heimatstadt konnte er ja regelmäßig im Fernsehen sehen - im "Tatort", dessen Münchner Gespann Kraus recht "realitätsnah" empfindet. Vor ein paar Wochen erhielt er aber einen Anruf von Harald Pickert, dem Leiter des Dezernats 11, dem neben der Brandfahndung auch die Mordermittler unterstellt sind: Ob Kraus nicht die fünf Mordkommissionen in München leiten wolle? Für den jungen Kriminalrat war dies seit jeher die "Wunschdienststelle", und nun sollte er auch noch Chef von den dort tätigen 26 Hauptkommissaren werden. Die Entscheidung lag allerdings nicht bei ihm: "Ich musste erst meine Frau fragen." Die Familie wird ihm in den nächsten Wochen folgen. Im Westen der Stadt, im Landkreis Fürstenfeldbruck, haben sie eine Wohnung gefunden.

Unter Wilfling und dem früheren Chef des Dezernats 11, dem Pfeifenraucher Udo Nagel, der als Innensenator in Hamburg Karriere machte, waren die Münchner Mordermittler bundesweit bekannt geworden. Wegen der hervorragenden Aufklärungsquote - Nagel hieß nur noch "Mister 100 Prozent" -, wegen der spektakulären Fälle und der Innovationsfreudigkeit der Beamten: Die operative Fallanalyse, das Profiling, oder der genetische Fingerabdruck - egal, was die Wissenschaft an neuen Methoden für die Kriminaler hervorbrachte, die Münchner gehörten immer zu den Ersten, die sie einsetzten.

Es waren aber auch die Vernehmungsmethoden, die die Ermittler immer wieder in die Schlagzeilen brachten. Ein falsches Geständnis des Schauspieler Günther Kaufmann kam dabei heraus, der zugab, seinen Steuerberater umgebracht zu haben. Und zuletzt, im Fall der erschlagenen Parkhausmillionärin Charlotte Böhringer, beklagte sich der inzwischen verurteilte Neffe, von der Polizei unter Druck gesetzt worden zu sein.

Was sagt Kraus zu solchen Methoden? "Es gibt eine kriminalistische List und Täuschung. Die List ist nicht verboten", so der Kriminalrat, der auch sonst seine "überaus erfolgreiche Abteilung in Ruhe weiterarbeiten lassen will". Es sei vor allem seine Aufgabe, den Kommissaren "den Rücken frei zu halten". Und den vielen Papierkram zu erledigen, den schon Wilfling nicht mochte. Von dem hat Kraus übrigens den Dienstwagen geerbt: einen alten blauen VW Polo.

© SZ vom 24.04.2009/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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