Neue BR-Show für Moderator Sebastian Winkler:"Was wollt ihr denn mit mir?"

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Als Kind spielte Sebastian Winkler auf dem Hochbett Theater, später machte er als Moderator bei o3-Südwild Furore. Jetzt hat der 28-Jährige vom BR eine Unterhaltungsshow bekommen - in der er die Kinderzimmerbühne wieder aufleben lässt.

Anna Günther

Er ist eine Rampensau, er muss eine sein. Wer aus der Heerschar junger, ambitionierter Moderatoren hervorstechen will, muss besser, individueller und lustiger sein als die anderen. Auch die kleinste Gelegenheit will genutzt werden - sogar der eigene Anrufbeantworter.

"Was wollt ihr denn mit mir?" Der junge Moderator Sebastian Winkler wundert sich manchmal darüber, dass ihm der Bayerische Rundfunk eine so große Chance gegeben hat. (Foto: Alessandra Schellnegger)

"Hallo hier ist die Mailbox von Sebastian Winkler. Wie? Leiser? Ok, hallo hier ist die Mailbox von Sebastian Winkler. Was? Fröhlicher? Hallo! Hier ist die Mailbox von Sebastian Winkler", so tönt es wieder und wieder in verschiedensten Sprechnuancen - fast 25 Sekunden dauert es, bis auch endlich mal der Anrufer zu Wort kommt. Eine durchschnittliche Ansage ist selten länger als zehn Sekunden. Sebastian Winkler dagegen gibt eine Kostprobe seines Repertoires als Moderator, Entertainer und Synchronsprecher - und hat hörbar Spaß daran: Er, nicht unbedingt der Anrufer.

Seit Mitte September darf Winkler, 28, sich in einer Unterhaltungsshow beweisen, die ausschließlich auf ihn zugeschnitten ist und die er mitentwickelt hat. Der Bayerische Rundfunk (BR) produziert "Die allerbeste Sebastian Winkler Show" gemeinsam mit dem Westdeutschen Rundfunk, das Format wird im Bayerischen Fernsehen, auf BR-Alpha und im WDR-Spartenkanal Einsfestival ausgestrahlt.

Als ich gefragt wurde, war mein erster Gedanke: Was wollt ihr denn mit mir?", sagt Winkler und lacht. Vielleicht erfülle er ja mit seinen roten Haaren das Exoten-Klischee. Der Jungmoderator gibt sich souverän. Doch scheint ihn auch zehn Monate später noch immer zu beschäftigen, warum ausgerechnet er ausgewählt wurde. Diese Chance konnte er sich jedenfalls nicht entgehen lassen. Allerdings gibt es auch Stimmen, die meinen, er hätte besser verzichtet.

Dass es ihn ins Rampenlicht drängt, gibt Winkler offen zu: "Jeder, der in diesem Job arbeitet, hat eine Sucht zur Selbstdarstellung." Er stehe eben gerne auf der Bühne und präsentiere Dinge, von denen er glaubt, sie gut zu können: Singen etwa, schauspielern und musizieren - Winkler spielt Gitarre, Klavier und Schlagzeug.

In der Schule war er Durchschnitt; das Studium hat er geschmissen, sobald er das Volontariat am Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses in Aussicht hatte. 2008 setzte Winkler sich im Casting durch und kam als Moderator zu on3-Südwild, dem Jugendformat des BR. Seit 2009 ist er auch beim Radiosender Bayern3 engagiert - und greift dort schon mal zur Gitarre, um Udo Jürgens oder Judith Holofernes von Wir sind Helden ein Überraschungsständchen zu bringen.

Im BR ist man von Winklers Fähigkeiten überzeugt: Der junge Moderator sei ein großes Talent und könne neben seriösen journalistischen Gesprächen auch im Unterhaltungsbereich punkten, teilt der Sender mit.

Vorhang auf zur "Allerbesten Sebastian Winkler Show": 13 Jahre lang sang der 1,96 Meter große Münchner bei den Münchner Domsingknaben, spielte im Schultheater und versuchte sich mit Kabarettauftritten in der "Drehleier", dem Theater seines Vaters Werner. "Früher konnte ich vieles, doch nichts richtig gescheit", sagt der Moderator.

Als Entertainer könne er daraus ein perfektes Ganzes machen. Perfektion also, aber: "Ich möchte es so gut wie möglich machen, doch letztlich müssen andere beurteilen, ob ich perfekt bin." So ist das immer bei Winkler. Er gibt den ausgebufften Unterhaltungsprofi, der gerne und viel über sich redet - und der am Ende doch nachdenklich das Gesagte relativiert.

Früh angefangen hat er jedenfalls: Schon als Kind bastelte Sebastian aus seinem Hochbett ein Theater und eroberte die Kinderzimmerbühne - eine abgedroschene Geschichte, die sich in jeder zweiten Moderatorenbiografie findet. Doch bei ihm sei es wirklich so gewesen, beteuert Winkler. In seiner Show sollen die improvisiert wirkende "Studiogarage" und seine Freunde als Publikum an die Anfänge im Kinderzimmer erinnern.

Spricht Winkler über seine Sendung, sprudeln die Worte nur so aus ihm heraus - für einen Moment durchbricht nahezu kindliche Begeisterung seine betont lässige Haltung: "Das ist einfach das, was ich schon immer machen wollte."

Winkler und sein Team versuchen, mit Superlativen und Ironie zu spielen: Moderator, Spiele, Gäste, von allem nur das Beste, verpackt in 30 Minuten Sendezeit. Doch erst bei wiederholtem Zusehen wird klar, dass die Show eine Persiflage auf den Quotendruck im deutschen Fernsehen darstellen soll.

Dafür hat man sich ohne Scheu an anderen Formaten orientiert. "Aber die A-Cappella-Showband und das Quotenmeter gibt es nur in meiner Show", sagt Winkler. Die drehende Plattform erinnert ebenso an Stefan Raabs "TV Total" wie Winklers Ukulele-Spiel - auch wenn er das Instrument lange vor Raab für sich entdeckt haben will.

Gäste wie die Kabarettistin Martina Schwarzmann oder das Model Mario Galla müssen sich auf Signal des Quotenmeters im Kochduell beweisen, singen und Winklers Späße mitmachen. In den Einspielern seiner Sendung versuche er sich in der Verkleidungskunst Hape Kerkelings, sagt der junge Moderator, die derben Witze orientiere er an Ina Müllers Humor.

Die Unterhaltungsshow ist die Königsdisziplin im deutschen Fernsehen: Thomas Gottschalk, Harald Schmidt . . . Doch Winkler gibt sich Mühe, unbeeindruckt zu wirken: "Wir haben meinen Humor verarbeitet, das hat bisher immer gut funktioniert." Er lasse sich nicht verrückt machen, weil diese Sendung seinen Namen trage. Nur: Wie viel will er sich für so eine Gelegenheit wirklich zumuten? "Ich bin froh, dass ich diesen Job machen darf, denn man weiß nie, wo man landet", sagt Winkler.

Der Bayerische Rundfunk ist offenbar mit Winkler zufrieden: Die ersten Shows erreichten im Schnitt einen Marktanteil von 2,6 Prozent, damit lägen die Quoten im üblichen Rahmen von Ausstrahlungen um Mitternacht, teilt die Pressestelle mit. Die Hälfte aller Zuschauer gehöre zum Alterssegment der 14- bis 49-Jährigen, das sei ermutigend.

Zwar lancierte der BR die Sendung als Ergänzung zu seinen Jugendprogrammen, doch Zielgruppe sollen die 30- bis 50-Jährigen sein. Zuschauer wurden nicht befragt, der Sender beruft sich auf positive Facebook-Kommentare. Bis Ende 2012 werden 35 Folgen der Show produziert - Zeit für Winkler, sich auszuprobieren.

Bernhard Heinzlmaier teilt den Optimismus des Senders nicht. Er ist Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien, leitet die Hamburger Trendagentur tfactory und beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren wissenschaftlich mit jungen Menschen - unter anderem für die Shell-Jugendstudie. "Nichts in der Sendung ist jung", sagt Heinzlmaier, weder die Symbolik des Formats noch Winklers Anzüge, weder Design noch Musik.

Selbst wenn der Retrocharakter gewollt wäre, für den Jugendforscher ist die Ironie ebenso wenig erkennbar wie die Zielgruppe. Am ehesten sei die Sendung ein Nischenformat, das sich an die Avantgarde, an die anspruchsvolle Popkultur wendet, sagt Heinzlmaier, doch für diese Zuschauer sei das Format zu substanzlos. "In der Show geht es um nichts."

Winkler wirbt um Geduld: "Auch die Großen mussten sich erst mal einfinden." Die Sendung werde stetig weiterentwickelt, er werde seine Gäste künftig ironischer anpacken. Ein "Dirty Harry" sei er nicht, sagt Winkler, und wolle er auch gar nicht sein: "Ich möchte als ich wahrgenommen werden." Er hinterfrage sich nach jeder Show. Zweifel an seinem Weg? "Keine!"

Wichtiger als die öffentliche Meinung sei ihm ohnehin die Kritik seiner Freunde: "Die erste Show haben wir alle gemeinsam angeschaut und sie haben an den richtigen Stellen gelacht."

Im Freundeskreis hat der Unterhaltungskünstler Sendepause. Hier drängt es ihn nicht ins Rampenlicht, die kleinen Bühnen des Alltags bleiben ungenutzt. Da sei er schlicht Sebastian, und bei gemeinsamen Koch- oder Filmabenden, sagt Winkler, könne er auch einfach mal still sein.

© SZ vom 27.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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