Neue Aromen:"Lieber kein Parfum als das falsche"

Lesezeit: 4 min

Am schlimmsten sind öffentliche Verkehrsmittel für jemanden mit einer so guten Nase wie Kim Weisswange. (Foto: Capital Cosmetics/OH)

Kim Weisswange über ihre individuell angefertigten Düfte für Pierce Brosnan, die teuerste Zutat und wonach das Eau de Toilette der Stadt München riechen müsste

Interview von Philipp Crone, München

Kim Weisswange entwirft Parfums für Madonna oder das englische Königshaus, sogenannte Unique Parfums. Seit ihrer Kindheit in Südafrika, als sie zwischen den Gewürzständen der indischen Händler herumlief, wollte sie Parfum-Sorten kreieren. Nun geht die 51-Jährige noch einen Schritt weiter: Sie entwickelt auch Spirituosen, die in München kürzlich bei Käfer präsentiert wurden. Ein Gespräch über die Vorlieben von Madonna, die heilende Wirkung der Minze und wie ein München-Parfum riechen würde.

SZ: Frau Weisswange, wenn Pierce Brosnan einen Duft bestellt, sagt der dann: Mach' mir was Bondig-Gentlemaniges?

Kim Weisswange: (lacht) Nein, man muss sich dem Duft langsam annähern. Egal ob Madonna oder Brosnan, jeder bekommt zunächst einen neunseitigen Fragenkatalog.

In dem steht?

Welche Lieblingsmusik man hört, seine Lieblingsfarbe oder ein Lieblingsessen. Musik wirkt wie Duft, bei beiden entstehen Emotionen, die nicht wirklich erklärbar sind.

Okay. Jemand sagt: "Song 2" von Blur, Türkis und Thunfisch-Carpaccio, welchen Duft bekommt der?

Rockmusik also und mediterran, und irgendwie ein bisschen extravagant, würde ich sagen. Also kommt auf jeden Fall Bergamotte rein, vielleicht ein bisschen in die Richtung Acqua di Gio.

Was kam denn bei Brosnan raus?

Ich kann hier zwar keine Details verraten, aber es geht bei Düften ja ganz essenziell immer um Erinnerungen, vor allem Kindheitserinnerungen. Er kommt aus Irland, da denke ich an Meer, frisches Gras, Klee und eine Whisky-Note. Sein Parfum ist dann auch wirklich ein wenig in einem Whiskyfass gereift.

Sie haben sich nun an Gin versucht. Warum?

Ja, einen mit 51 Botanicals darin. Im Prinzip ist Gin ja auch nur ein parfümierter Wodka.

Botanicals?

Zutaten wie ätherische Öle. Also beim Gin natürlich Wacholder, Koriander oder die Angelika-Wurzel.

Wie wichtig ist bei einer Spirituose der Geruch?

Aus zwei Gründen sehr wichtig. Zum einen spielt die Nase beim Schmecken eine große Rolle, zum anderen rieche ich ein Getränk ja, bevor ich es trinke. Manche Getränke sind wie Düfte, ich habe schon ein Parfum entworfen, das Gin Tonic heißt und auch so riecht. Herrlich.

Dann muss ich mir in einer Bar also bloß einen Gin Tonic übers Hemd kippen, um gut zu riechen?

Ja (lacht). Das macht auf jeden Fall Eindruck! Oder nehmen Sie Whisky, dieser Duft!

Nach Schokolade, Toffee oder Torf.

Genau. Aber Achtung: Was man beim Whisky schmeckt oder riecht, ist im Unterschied zum Gin nicht wirklich drin. Man hat das Gefühl, diese Dinge zu schmecken, aber die entsprechenden Aromaten sind nicht enthalten beim Whisky, das Aroma bildet auf der Zunge nur ein ähnliches Profil wie zum Beispiel Schokolade. Wie gesagt: Spirituosen sind Parfums.

So machen Sie das dann dem Sultan von Oman oder Liza Minnelli schmackhaft, damit die sich einen Duft zusammenbauen lassen. Wie teuer ist so ein Parfum?

Das kommt ganz auf die Zutaten an. Das Günstigste kostet 145 Euro. Wenn nun aber jemand teuerste Zutaten will, wird es natürlich gleich etwas hochpreisiger.

Was ist denn teuer?

Gingko zum Beispiel, aber der teuerste Duftstoff ist Adlerholz. Das ist fermentiertes Holz aus Kambodscha, das Kilo kostet eineinhalb Millionen Euro.

Wie kam es denn dazu, dass Sie für Hollywood-Größen Düfte entwickeln?

Ich habe vor vielen Jahren einmal Madonna in einem Club während des Studiums in den USA kennengelernt. Wir haben uns unterhalten und ich habe ihr erzählt, wo ich herkomme und was ich mache.

Sie kommen aus Südafrika.

Genau, dort leben sehr viele Inder. Und ich habe meinen Vater immer angefleht, mir von deren Marktständen Essenzen zu kaufen - bis ich ein kleines alchimistisches Labor im Keller hatte. Dort habe ich die Düfte meiner Mutter mit den ätherischen Ölen vermischt, weil ich es langweilig fand, dass alle immer nur Chanel auflegten. In den USA konnte man Chemie studieren mit Schwerpunkt Parfümerie, und als ich nebenbei beim Film als Visagistin gearbeitet habe, kam der Kontakt zu Schauspielern.

Und Madonna interessierte sich für die Parfum-Alchimistin?

Parfum interessiert jeden! Es geht doch immer darum, wie man seine eigene Aura unterstützen kann. Unter anderem mit Parfum eben. Man kann seinen eigenen Geruch hochtunen oder verkleiden, wenn er einem nicht gefällt. Das unterstützt die Selbstsicherheit.

Nehmen wir einen schüchternen, unscheinbaren Mann: Kann den ein ausgefallenes Parfum noch retten, wenn er bei Frauen Eindruck machen will?

Ein Beispiel: Ein solcher Mann betritt einen Raum. Frauen würden ihn normalerweise wohl nicht wahrnehmen. Hat er aber einen tollen Duft - vor allem einen, der auch zu ihm passt - dann verspreche ich Ihnen, dass die Frauen auf ihn aufmerksam werden.

Wie muss der Duft passen?

Na, es geht ja schon einmal damit los, dass ich, wenn ich ein Parfum auftrage, den Duft auch noch nach vier Stunden mögen muss. Und der verändert sich.

Der schüchterne Typ bestellt ein Unique Parfum bei Ihnen, was kommt rein?

Grundsätzlich gibt es Düfte, die jedem Menschen sympathisch sind. Citrus-Noten, Mandarine oder Orange zum Beispiel, die ziehen jeden an. Oder Vanille und Karamell, das ruft bei uns allen Erinnerungen wach.

Sie entwerfen nun ein München-Parfum. Wie gehen Sie vor?

Wenn München eine Person ist, liebt er die Stadtfarben gelb und schwarz, das ist also ein Kontrast, eine Spannung. Er geht gerne in den Englischen Garten, dort bleibt die Zeit stehen, wunderbar.

In München bleibt die Zeit stehen?

Vergleichen Sie das mal mit Berlin oder New York! München, das ist: Zeit haben, keine Hektik. Und es ist lieblich, herzlich, nicht so wie Hamburg, wo sich alle gegenseitig auf Abstand halten. Dazu frisch und traditionell. Also Enzian und Alpenkräuter, Tabak, der salzige Geruch der Breze, natürlich Hopfen und Malz.

Wie ist das denn, wenn man wie Sie mit so einem ausgeprägten Geruchssinn unterwegs ist?

Manchmal schrecklich. Am schlimmsten sind öffentliche Verkehrsmittel nach einem Sommerregen, deshalb fahre ich auch nur Vespa. Oder überparfümierte Frauen, wenn man beim Italiener essen will.

Darf man auch unparfümiert herumlaufen?

Auf jeden Fall. Lieber kein Parfum als das falsche.

© SZ vom 22.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: