Nachkarteln:Heimspiel

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Schafkopfrunden sind in Kneipen kaum mehr zu sehen

Von Johannes Korsche

Auf einem Balkon in Haidhausen, mit Blick auf die Bäume am Isarufer, geht es regelmäßig hoch her: "Auf die Bums." - "Meinst mit der Hundsgefickten?" - "Ja mei, die Runde eben." Na, was denn nun? Wer Jonas Häring, Emanuel Werler, Anton Porzky und Matthias Rosenbaum zuhört und noch nie beim Schafkopfen war, kann ihrer Unterhaltung nicht folgen. Nahezu jede Karte wird kommentiert, oft in einer Art Geheimsprache. "Wennst den Alten spielst, mach ma des zu." Schnell ist klar: Ums Kartenspielen geht es eigentlich nicht. Wichtiger ist ein passender Spruch, das kühle Bier und das "Nachkarteln", wie die Spielanalyse nach jedem Stich genannt wird.

Ohne Sprüche geht es einfach nicht, findet Attila Zarka. Der 38-Jährige ist einer der Mitbegründer des Ersten Schafkopfvereins Münchens, den es seit gut 15 Jahren gibt. Seitdem engagiert er sich dafür, dass die Tradition des Schafkopfens erhalten bleibt. Doch das wird immer schwieriger: "Das Schafkopfen stirbt aus, weil wir in immer weniger Kneipen spielen dürfen." Man sei zu laut und mache zu wenig Umsatz, so die gängige Begründung der Wirte. 2001, als der Verein gegründet wurde, habe es in München keinen Schafkopfverein gegeben, dafür aber drei Skatvereine, erzählt Attila. "Das war schon traurig", sagt er. Er findet, dass dadurch etwas aus dem Münchner Stadtbild verschwindet: Dieses besondere Flair, wenn vier Spieler in der Kneipe die letzten Stiche diskutieren.

Attila Zarka ist Mitbegründer des Münchner Schafkopfvereins. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Unterhaltungsprogramm einer mittelgroßen Kneipe könnten die Vier auf dem Balkon in Haidhausen auf jeden Fall sein. "Ich seh's ja als Vergnügungssteuer", sagt Matthias, während er in einem Schälchen voller Kleingeld nach dem richtigen Betrag sucht. Wer verliert, bezahlt direkt im Anschluss der Runde. Normalerweise zwischen zehn Cent und 1,50 Euro. "Damit das Ganze a bissl an Reiz hat", sagt Emanuel. Warum sie nicht in einer Kneipe spielen? "Da dürfen wir nicht mehr," sagt Jonas. Im Biergarten? "Zu teuer", sagt Anton. Dann doch lieber daheim auf dem Balkon mit Blick auf die umliegenden Dächer. Da sei es viel gemütlicher, das Bier billiger und man könne davor noch gemeinsam was kochen. Junge Leute schafkopfen meistens daheim.

Attila will das ändern. Mit Anfängerkursen, Turnieren und Besuchen bei anderen Schafkopfvereinen in Bayern. Viele Münchner sollen wieder die Spielregeln lernen. Denn wer einmal mit dem Schafkopfen angefangen hat, ist dem Spiel schnell verfallen. "Weil sich zwischen den Spielen ständig alles ändert", sagt Attila. Eben noch ist ein Spieler richtig euphorisch, weil er ein teures Solo gewonnen hat - und dann wieder richtig betrübt, dazwischen liegt oft nur ein Spiel.

Schafkopfrunde auf einem Balkon in Haidhausen: Zuhause ist das Bier billiger - und in Bars sind Kartenspiele gar nicht erlaubt. (Foto: Robert Haas)

"Außerdem ist es das perfekte Zusammenspiel aus Glück und Können", bringt Anton seine Faszination auf den Punkt. Deswegen spiele er bereits sein halbes Leben - wie seine drei Freunde. Da ist es egal, dass Jonas inzwischen Jura studiert, Emanuel in einer Flüchtlingsunterkunft unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut, Anton als Abwassertechniker arbeitet und Matthias mittlerweile die meiste Zeit des Jahres in Schweden verbringt. Über eine Whatsapp-Gruppe verabreden sie sich. Und wenn sie dann gemütlich und mit einigen Bieren zusammensitzen, dauern die Treffen meist bis tief in die Nacht.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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