Nach dem Überfall:Einfach weitermachen

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Am Tag nach dem Überfall hat Mohammed Gharibyar (li.) seinen Imbiss wieder aufgesperrt. Die Zettel mit Solidaritätsbotschaften hat er entfernt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Döner-Imbiss hat längst wieder auf. Ganz wohl ist dem Betreiber aber nicht

Von Christian Endt, Ebersberg

Beim Imbiss "Royal Döner" am Ebersberger Bahnhof ist Betrieb wie immer. Nur die kaputte Scheibe in der Tür erinnert daran, dass hier am vorigen Freitag ein brutaler fremdenfeindlicher Angriff stattgefunden hat. Bereits am Samstagmorgen hat Inhaber Mohammed Gharibyar den Laden wieder aufgemacht. Übers Wochenende klebten viele Menschen gelbe Zettel auf die kaputte Tür mit Botschaften wie "Wir halten zu euch" und "Gegen Rassismus", dazu Blumen, Herzen, Peace-Zeichen. Am Dienstagmorgen waren die Zettel verschwunden. "Habe ich weg gemacht", sagt Gharibyar nur. Dem 41-jährigen Afghanen ist die Aufmerksamkeit unangenehm, er möchte zurück zur Normalität. Einfach weitermachen.

Im Laden ging bei dem Überfall eine Glasscheibe auf der Theke zu Bruch. Gharibyar hat sie entfernt. Vor allem aber wurden zwei Landsleute von Gharibyar verletzt. Ein 20-jähriger Mitarbeiter erlitt eine Schnittwunde am Daumen. Ein Gast zog sich Platzwunden und Prellungen an Hinterkopf, Schulter und Hüfte zu. Der 31-Jährige musste drei Tage ins Krankenhaus. Die vier Angreifer waren mit Hämmern, einem Holzknüppel und einem Messer bewaffnet. Vier weitere Personen warteten vor der Tür. Die Gruppe grölte fremdenfeindliche Parolen. Gharibyar war zu diesem Zeitpunkt in der Küche, er blieb unverletzt.

Kriminalpolizei und Landeskriminalamt ermitteln nun wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe und gegen die vier Hauptverdächtigen zusätzlich wegen gefährlicher Körperverletzung. Ihnen drohen mehrjährige Haftstrafen. "Mir ist egal, was mit denen passiert", sagt Gharibyar bei einer Rauchpause vor seinem Laden. "Ich kenne die ja nicht. Ich hab' mit meiner Arbeit jeden Tag genug zu tun." Wegen der Sonne hat er ein Auge zugekniffen, seine leise Stimme ist am lauten Bahnhof kaum zu verstehen. Er wirkt müde. "Die sollen eine Strafe nach dem Gesetz bekommen." Er habe inzwischen mit seiner Versicherung gesprochen, die wolle den Schaden nicht übernehmen. Er muss die Täter auf Schadensersatz verklagen, das aber geht erst nach einer Verurteilung.

Am Samstag findet in Ebersberg eine Kundgebung gegen Rassismus statt. Neben Vertretern von Parteien und Vereinen steht auch Gharibyar auf der Rednerliste. Eine Idee, die auf die Politiker zurückgeht. "Wenn mich jemand fragt, sage ich schon was", sagt er. "Sonst nicht." Nach dem letzten Zug an der Zigarette weicht die Lakonie der Nachdenklichkeit. "Wenn ich allein im Laden bin, das ist schon ein komisches Gefühl. Dann schützt mich keiner." Er verstehe die Angreifer nicht, sagt er noch, zeigt auf Flüchtlinge, die aus der S-Bahn steigen: "Klar kommen gerade viele. Aber die meisten sind doch normale Leute." Er selbst kam 2002 nach Deutschland. "Bis auf ein paar Monate habe ich immer gearbeitet." Das wird er auch weiterhin machen. Sein Händedruck zum Abschied ist kraftlos. Eigentlich ist es gar kein Händedruck, Gharibyar hält einem die Hand nur hin.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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