Nach Beschluss im Bundestag:Heiße Hotspots

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Immer online, immer erreichbar: Wer im Netz eines anderen Illegales trieb, brachte den Betreiber in große Nöte. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Ende der Störerhaftung soll öffentlichen Wlan-Betreibern Sicherheit geben, nicht mehr für Rechtsverletzungen Dritter zu haften. Münchner Betreiber und Experten warnen aber davor, dass es immer noch Risiken gibt

Von Ana Maria Michel

Christian Ohlmann wollte seinen Gästen im Trachtenvogl freies Wlan bieten. Mit dem Schreiben eines Abmahnanwalts hatte er dabei nicht gerechnet. 400 Euro musste er zahlen, weil einer seiner Gäste illegal Dateien hochgeladen hatte. Ohlmann hat aus dieser Erfahrung Konsequenzen für sein Café gezogen. Wer im Trachtenvogl ins Netz will, muss sich seitdem einen Zugang mit einem individuellen Passwort einrichten. In einem goldenen Rahmen hängen Ohlmanns zwölf Regeln für die Wlan-Nutzung an der Wand. Auch damit will er sich absichern, doch eigentlich kann ihm heute nichts mehr passieren. Sollte ein Gast etwas Illegales in seinem Wlan tun, würde nicht er, sondern der Betreiber des Hotspots haften, über den Ohlmann seinen Gästen den Zugang ins Netz ermöglicht.

Wer in München ein offenes Wlan anbieten will, muss sich von jetzt an etwas weniger Sorgen machen. Der Bundestag hat am vergangenen Donnerstag das offizielle Ende der Störerhaftung beschlossen, um Rechtssicherheit für Wlan-Betreiber zu schaffen. Sie sollen nicht mehr für Rechtsverletzungen von Dritten haften. Jeder, der ein öffentliches Wlan anbietet, soll in Zukunft das sogenannte Providerprivileg haben. Egal ob Privatpersonen oder nebengewerbliche Anbieter wie Cafés, Restaurants und Hotels.

Lars Mentrup sitzt für die SPD im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann. Er sieht die Änderung als wichtigen Schritt hin zu mehr offenen Wlans. Deutschland gilt im Moment als Wlan-Wüste in Europa. Anders als hier muss man sich in Ländern wie Großbritannien, Frankreich oder Estland keine Gedanken darüber machen, wie man in ein freies Wlan kommt. Das soll sich jetzt durch das Ende der Störerhaftung ändern.

Das Problem der Abmahnungen ist für Mentrup mit dem Beschluss des Bundestags noch nicht gebannt. Er befürchtet, dass auch in Zukunft Unterlassungsansprüche auf Wlan-Betreiber zukommen werden und sie wie bisher die Kosten tragen müssen. Der Grund: Im geänderten Telemediengesetz steht nicht konkret, dass Wlan-Betreiber nicht mehr abgemahnt werden dürfen. Das kritisiert auch Tobias McFadden von der Piratenpartei in Gauting. Die wichtigen Details seien nur in die Begründung aufgenommen worden und nicht in das Gesetz selbst. Im Zweifelsfall müssten nun die Gerichte entscheiden.

McFadden war selbst durch die Störerhaftung von Geldforderungen betroffen und zog vor den Europäischen Gerichtshof. Durch seine Klage hat er maßgeblich zu der Änderung beigetragen. "Der neue Gesetzestext ist keine Verbesserung im Vergleich zur aktuellen Rechtslage", sagt McFadden. "Ich würde jedem davon abraten, sein Wlan jetzt zu öffnen." Auch Christian Ohlmann vom Trachtenvogl ist skeptisch und will erst einmal abwarten, bevor er wieder ein freies Wlan anbietet. "Die Abmahnindustrie wird nach einem Weg suchen, um an Geld zu kommen", sagt der Gastwirt.

Nicht nur in Cafés oder Restaurants gibt es in München kostenloses Wlan. Etwa 25 000 Nutzer wählen sich täglich in das Netz der Stadt München ein. An 22 zentralen Orten wie dem Marienplatz, dem Hauptbahnhof oder der Münchner Freiheit gibt es kostenlose Hotspots, betrieben werden sie von den Stadtwerken. "Unsere Nutzer sind sehr verantwortungsvoll", sagt Michael Solic, Sprecher der Stadtwerke München. Von Abmahnungen kann er nicht berichten, bestimmte Seiten wie illegale Online-Tauschbörsen seien über das Wlan der Stadt nicht zu erreichen.

Die Möglichkeit, in den Münchner Bussen und Bahnen Wlan zu nutzen, entwickelt sich schleppend. Die Einführung in allen MVG-Fahrzeugen würde jährliche Zusatzkosten in Millionenhöhe bedeuten, sagt ein MVG-Sprecher. "Diese Kosten können nur über eine Erhöhung der Fahrpreise getragen werden." 2017 sollen zehn Gelenkbusse probeweise mit Wlan ausgestattet werden, das ebenfalls von den Stadtwerken betrieben werden soll. Für sie wird sich laut dem Sprecher durch das Ende der Störerhaftung jedoch nichts ändern. Die Nutzer können weiter zwischen einer Wlan-Variante, bei der sie die AGBs bestätigen müssen, und einer verschlüsselten, für die eine Anmeldung nötig ist, wählen.

"So etwas ist für den normalen Nutzer unbedienbar", sagt Tobias McFadden zu diesen Varianten. Er sieht wie Lars Mentrup von der SPD im Moment nur eine Alternative: den Freifunk München. Seit einem Jahr setzt sich das ehrenamtliche Projekt für freie Netzwerke ein. Etwa 1800 sogenannte Knoten gibt es mittlerweile in und um München, im April griffen etwa 30 000 Nutzern täglich auf sie zu. Freifunk Münsterland hat mit etwa 2300 Knoten die meisten freien Netze, in Hamburg und Stuttgart gibt es jeweils etwa 900 Knoten. In ganz Deutschland sind es ungefähr 33 000. Freifunker kann jeder werden, der die Freifunk-Software auf einem Router installiert. Die Router können sich mit anderen Geräten verbinden, sodass das Wlan an andere weitergegeben werden kann. Diese Möglichkeit kommt zum Beispiel auch in Flüchtlingsunterkünften zum Einsatz. Mit der Störerhaftung und Abmahnungen haben die Freifunker keine Probleme. Die Identität der Wlan-Betreiber kann nicht identifiziert werden, weil die Daten durch einen VPN-Tunnel ins Ausland umgeleitet werden.

Mit seinem Hotspotbetreiber ist Wirt Christian Ohlmann zufrieden. Allerdings verbringt er viel Zeit damit, den Gästen im Trachtenvogl zu erklären, wie sie ins Wlan kommen. Ohlmann würde den Freifunk als Alternative in Betracht ziehen - wenn sich das mit dem VPN-Tunnel nur nicht so kompliziert anhören würde.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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