Museen:Dem Digitalen echt überlegen

Lesezeit: 1 min

Sammlungen haben Zukunft

"Das letzte Massenmedium, das noch nicht ins Haus liefert" vom 8. September:

Sie seien "das letzte Medium, das noch nicht ins Haus liefert" - so beschreibt Walter Grasskamp missbilligend die heutige Rolle der Museen. Eben darin aber liegt ihre Chance. Denn was die Museen den digitalen Medien voraus haben, das ist die Sache selbst, nicht nur ein Bildchen von ihr. Auf die Dauer können die Museen deshalb nur gewinnen. Dann nämlich, wenn die Flut all dieser aufgenommenen und heruntergeladenen Bilder einen gewissen Sättigungsgrad erreicht hat, wenn man sich an die Neuigkeit und Faszination dieser beliebigen Verfügbarkeit gewöhnt hat. Erst dann wird man begreifen, was diese Bilder nicht liefern: das vorrangige, authentische Kunsterlebnis.

Das beginnt mit einer so banalen wie lächerlichen Sache, nämlich der Größe. Wie klein oder wie groß ein Bild ist, geht bei der Digitalisierung komplett verloren. Jeglicher Maßstab dafür fehlt, wenn alles auf ein und denselben Monitor - gar eines Smartphones - gepresst wird. Intimität oder Monumentalität eines Bildes entziehen sich der Wahrnehmung. Nicht anders die originale Farbigkeit in ihrem ganzen Kontrastreichtum, wohinter alle digitalen Berechnungskunststücke zurückbleiben. Vom Material selbst, das zu erfassen der Mensch die optimalen Sinne hat, zu schweigen.

So wenig, wie die Fotografie eines Menschen diesen selbst ersetzt, so wenig ersetzt die Fotografie - digital oder nicht - ein Kunstwerk. Die körperlich-realistische Erfahrung von Kunst ist letztlich unverzichtbar - und die ist eben nur im Museum möglich. Man muss dabei gar nicht an Benjamins Aura des Kunstwerks erinnern. Wenn man sich erst einmal satt gesehen hat an der künstlichen Bilderflut, wird man wieder dafür offen sein, dass ein Kunstwerk mehr ist als eine bloße Bildinformation. Dann wird die einzigartige materielle Existenz der Kunstwerke wieder attraktiv werden.

Diese Durststrecke müssen die Museen durchstehen. Es wäre ungeschickt, sie vorschnell dem Zeitgeist anpassen zu wollen. Jedenfalls hat gerade angesichts der derzeitigen Entwicklung der Sammelauftrag der Museen nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Sie bewahren die Kunst nicht nur für heute, sie bewahren sie auch für morgen. Dr. phil. h. c. Hans Ries, Gilching

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: