Multitalent:Es läuft

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Nach der Wiesn beginnt für Moses Wolff wieder die Arbeit: Er muss einen Krimi fertig schreiben. Bald hat sein Kabarett Premiere. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Kaum greifbar: Kabarettist, Schauspieler, Musiker und Autor Moses Wolff macht so viele unterschiedliche Dinge, dass es sogar Kollegen schwer fällt, ihn zu charakterisieren. Nun kommt er mit einem Solo-Kabarett auf die Bühne. Und bald auch ins Kino

Von Thomas Becker

Fragt man Till Hofmann, was der Moses Wolff denn so für einer ist, herrscht erst mal Stille am Telefon. "Der Moses? Puh." Hofmann ist sprachlos, was nicht oft der Fall ist. Durch die Leitung hört man, wie er Backen aufbläst und sagt: "Da muss ich mich hinsetzen. Ich ruf' zurück." Die Kollegen sind spontaner. Komiker Matthias Egersdörfer lobt: "Er spricht mit vielen verschiedenen Stimmen und hat ein großes Herz." Kabarettist Sven Kemmler lobt ebenfalls: "Der Wildbach-Toni ist so schaurig-schön wie die Eiger Nordwand und so wohltuend sinnlos wie Alpenwellness mit Holzfällerhänden." Liedermacher Tilman Birr meint gar: "Wer ihm zuhört, möchte seinen Fernseher wegschmeißen." Der ehemalige Titanic-Chefredakteur Leo Fischer schreibt ihm ins Zeugnis: "Eine kaum schlagbare Mischung aus Rüdiger Nehberg, Martin Heidegger und Lady Gaga". Und Schriftsteller Friedrich Ani dichtet: "Vor Moses Wolff teilt sich die manchmal unfassbare Wirklichkeit und lässt uns beglückt hindurch schreiten und Dinge erkennen, von denen wir vorher keine Ahnung hatten. Er schaut den Leuten nicht nur beinhart aufs Maul, sondern auch ins Maul hinein bis hinunter ins Herz und in den Bauch."

Alles schön und gut, aber wirklich greifbar ist der Mann durch all die Worte nicht geworden. Fragt man Moses Wolff selbst, was er so macht, bekommt man keine ehrliche Antwort. "Ist mir zu anstrengend. Ich sage immer irgendwas Langweiliges. Oder irgendeinen Quatsch: Dass ich Autos überführe - dabei habe ich gar keinen Führerschein."

Wolff ist Mitte 40, steht seit rund 25 Jahren auf der Bühne, als Kabarettist, Schauspieler, Musiker und Autor, als Wildbach-Toni oder als durchgeknallter Shanti, als Werbefigur für den MVV oder als Workshop-Leiter für das Kulturforum Ostbayern, Abteilung Hip-Hop und Hörbuch, als Frontman der Band "Perlen vor die Säue" oder als künstlerischer Berater und Stellvertreter von Christiane Brammer, die mit dem Hofspielhaus in der Altstadt am 17. Oktober ein neues Theater eröffnet, vier Tage vor der Premiere von Wolffs Solo-Kabarett-Stück "In meiner eigener Wohnung". Wolff sagt: "Zig Projekte gleichzeitig: Da steh' ich drauf."

Vermutlich muss man sich Moses Wolff biografisch annähern. Das kommt ihm entgegen: "Ich habe aus jeder Lebensphase jemanden mitgenommen, mit dem ich immer noch befreundet bin." Die Eltern waren Mitbegründer des antiautoritären Uni-Kindergartens, wo er die Saxofonistin Carolyn Breuer kennenlernt, bis heute eine beste Freundin. Aus der Zeit im Lochhauser Kindergarten ist ihm Arnd Schimkat geblieben, mit dem er seine erste Kabarettgruppe Farfardet gegründet und mit dem er das Drehbuch für "Highway to Hellas" geschrieben hat. "Oder Konstantin Wecker: Den hab' ich immer gehört - jetzt hat er mein letztes Album produziert." Oder der Schwank mit Georg Thomalla: "Es gab einen Empfang, und Thomalla fragte mich: ,Haben Sie schon überlegt, welche Krawatte Sie tragen werden?' Darauf ich: ,Ich hab' gar keine.' Am nächsten Tag kam er mit einer Plastiktüte, voll mit 40, 50 Krawatten." So geht das in einem fort: Ein Name, eine Geschichte. Schon mit 25 wollte er eine Sendung mit Show-Anekdoten machen: "Wie Otto Schenk", sagt er, "ich hab einfach schon so viel erlebt."

Nach kleineren Rollen an Residenz- und Prinzregententheater sowie in der TV-Serie "Anna Maria - eine Frau geht ihren Weg" mit Uschi Glas bildete sich der bis dahin Ur-Pasinger im Alter von Mitte 20 ein, nach Berlin zu ziehen: Kreuzberg, Bergmannstraße. "Aber dann ist mir fast jeden Tag was eingefallen, was gerade in München ist: Maibaum, Fasching im Biedersteiner, jetzt macht die Wiesn-Kantine auf . . ." Nach eineinhalb Jahren war er wieder zurück und jobbte über Jahre im Callcenter, einer Servicestelle der Telekom. "Das waren so geile, abgefahrene Leute", schwärmt er. Nebenbei ist er als Künstler aktiv: "Sonntags-Klub" im Nachtcafé, "Three Minute Madness" mit Matt Devereux im Kunstpark, TV-Rollen von "Polizeiruf" bis "München 7", das erste (reichlich surrealistische) Buch namens "Kein Fuzzy Naval für Folicaldi", das in Griechenland spielt.

Irgendwann hat Wolff die Kykladen- Insel Ios für sich entdeckt - weil im Reiseführer davor gewarnt wurde: "wilde Hippie-Insel, Gelage am Strand mit Frauen, Alkohol, Zappa und Led Zeppelin". Mindestens zwei Mal im Jahr ist er dort, sitzt mit Freund Panos in dessen Supermarkt - und ärgerte sich mit dem halb in Griechenland aufgewachsenen Spezl Arnd Schimkat über die Berichterstattung in deutschen Zeitungen. "Wir dachten, wir müssen jetzt mal was schreiben, wie wir die Griechen sehen: als das freieste, anarchistischste und lustigste Volk. Die wirft nichts aus der Bahn, die haben ein großes Herz und ebenso viel Freiheitswillen."

Zurück in München landeten Wolff und Schimkat auf der Flucht vor einer öden Party in den "Pfälzer Weinstuben", und als sie wieder gingen, hatten sie das Konzept für die Story auf die Rückseite einer Speisekarte geschrieben: das Gerüst für das Drehbuch zu "Highway to Hellas", der Ende November in die Kinos kommt. Einer von drei Produzenten: Matthias Schweighöfer. In der Hauptrolle: Christoph Maria Herbst. Könnte lustig werden. Und lukrativ: Den Roman zum Film haben Wolff und Schimkat schon geschrieben, das Hörbuch längst produziert, und im Juli 2016 folgt das Musical, für das sie das Libretto schreiben. Es läuft beim Wolff.

Jetzt - nach Wiesn-Dauerparty - muss Wolff wieder an den Laptop: seinen ersten Krimi fertig schreiben. Es geht um einen westfälischen Kriminalbeamten, der in München ermittelt, unbedingt bairisch lernen will, dem die hinterfotzigen Bayern aber mit Fleiß alles falsch beibringen. Sein Name: Hans Josef Strauß. Und bevor alles an den Piper-Verlag geschickt wird, gibt Wolffs Vater als Ex-Deutschlehrer wie immer den Schlusskorrektor. Und Wollfs Mutter fischt die Wiederholungen raus. Alles ganz schön harmonisch im Hause Wolff.

Ach ja, Till Hofmann hat übrigens nicht zurückgerufen. Er hat geschrieben: "Moses Wolff gehörte schon als Neunjähriger zu einer auffälligen Kinderbande, den Pasinger Cute Boys, die sich Geld für Zigaretten besorgten, indem sie ältere Damen über die vierspurige Straße führten und am Mittelstreifen Schutzgeld erpressten. Mit dem Rest kauften sie sich im Portofino eine Pizza ohne alles. Arnd Schimkat hat ihm dann mit 19 lesen und schreiben beigebracht. Aufgrund langjähriger Konzentrationsschwächen durch ein fehlendes Enzym im Pansen schaffte er bis ins hohe Alter nur Kurzgeschichten - bis ihm an diesem alles entscheidenden Tag Christian Ude anbot, sein Nachfolger zu werden. Nur müsse er sich dann länger fassen in seinen Reden. Bekanntermaßen wurde Moses hinterlistig hineingespielt, und er konnte aus Zeitgründen nicht kandidieren. Jetzt hat er sich ein Buch gekauft mit leeren Seiten, hat es durchgelesen und begriffen: Das schreib' ich jetzt voll, mache ein Programm draus, werde Multimillionär, kauf' mir ein eigenes Wiesn-Zelt mit Briefkasten, heirate fünf Frauen und werde nie wieder Gedichte in Möbelhäusern lesen." Respekt Herr Hofmann, gut getroffen.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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