Münchner Wissenschaftstage:Viele Ideen, kein Geld

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Tausende kommen zu der Veranstaltung. Die steht vor dem Aus, weil Sponsoren fehlen

Von Thomas Schmidt, München

Eigentlich hat Frank Holl allen Grund zur Freude. Als der Leiter der Münchner Wissenschaftstage am Samstagabend zur Eröffnungsrede auf die Bühne der Alten Kongresshalle tritt, blickt er auf einen bis zum letzten Platz gefüllten Saal. Schon den ganzen Tag über hatten sich viele Hundert Menschen auf der Schwanthalerhöhe versammelt, Vorträgen gelauscht, wissbegierig Fragen gestellt, die von mehr als 400 Experten beantwortet wurden. Besser hätte die viertägige Veranstaltung kaum starten können. Und dennoch droht die 17. Auflage der Wissenschaftstage zugleich die letzte zu sein. "Wir sind völlig ratlos", sagt Holl, "wie die Veranstaltung 2018 finanziert werden soll".

Es liegt nicht an mangelndem Interesse des Publikums, dass sich die Wissenschaftstage offenbar in einer veritablen Krise befinden. Leiter Holl und Geschäftsführerin Steffi Bucher rechnen auch dieses Jahr wieder mit rund 30 000 Besuchern. Doch die spülen kein Geld in die Kasse, der Eintritt und die vielen wissenschaftlichen Vorträge sind allesamt kostenlos. Das ist Teil des Konzepts, schließlich richtet sich das Programm gezielt auch an Schüler und Jugendliche, um bei ihnen Begeisterung für Wissenschaft und Technik zu wecken. Die vielen Marktstände, Workshops, Vorträge und Seminare können nur mithilfe von Sponsoren finanziert werden. Und das ist nun, nach 17 erfolgreichen Jahren, zum Problem geworden. Insgesamt fehlen laut Holl 75 000 Euro, vor allem, weil der Bund aus der Förderung ausgestiegen sei. "Für private Sponsoren ist die Veranstaltung nicht attraktiv genug", erklärt Holl zerknirscht. "Es ist sehr fraglich, ob es auch nächstes Jahr wieder Wissenschaftstage geben wird." Weil sich die Privatwirtschaft offenbar zunehmend zurückzieht, ist die Veranstaltung künftig noch mehr als ohnehin schon auf öffentliches Geld angewiesen. So ist es auch kein Zufall, dass Holl seinen Hilferuf ausgerechnet dann aussendet, als Wolfgang Heubisch wenige Meter entfernt in der ersten Reihe sitzt und ihm zuhört.

Schon im vergangenen Jahr zeigten sich die Besucher der Münchner Wissenschaftstage begeistert von der Technik. (Foto: Stephan Rumpf)

Bis 2013 war der FDP-Politiker bayerischer Wissenschaftsminister, heute sitzt der 71-Jährige im Münchner Stadtrat. "Ich bin überrascht", sagt der Ex-Minister. "Es ist völlig unverständlich, dass man diese Veranstaltung aufs Spiel setzt." München, immerhin der zweitgrößte Hochschulstandort Deutschlands, würde sich "bis auf die Knochen blamieren", warnt er. Die Schuld schiebt er vor allem "dem Bund" zu, der, was Fördergelder anbelangt, "mit Abwesenheit glänzt". Er, Heubisch, werde sich "auf die Hinterbeine stellen", um die Wissenschaftstage doch noch zu retten.

Eine Absage wäre nicht nur für Tausende Besucher ein Verlust, sondern auch für Hunderte Forscher, die das öffentliche Forum jedes Jahr nutzen, um von ihrer Arbeit zu berichten. So wie eine Gruppe Studenten der Technischen Universität München, die an einem Stand im Foyer ihren Prototypen für den "Hyperloop" aufgebaut haben und sich vor neugierigen Fragestellern kaum retten können.

Der futuristische Zug könnte, sollte er denn jemals gebaut werden, die Strecke von München nach Berlin in gerade mal 35 Minuten schaffen. Das utopische Projekt wurde von Elon Musk ins Leben gerufen, bekannt durch den Autohersteller Tesla und das private Raumfahrtunternehmen SpaceX. Die Idee: Eine mit Solarenergie angetriebene Magnetschwebebahn schießt mit 1125 Stundenkilometern durch einen Vakuumtunnel. 30 Münchner Studenten bauten für mehrere Hunderttausend Euro eine zwei Meter lange Kapsel, reisten damit nach Kalifornien und jagten ihren Prototypen im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs durch eine Teststrecke. Ihr Zug beschleunigte auf 324 km/h, damit waren die Münchner dreimal so schnell wie das zweitbeste Team.

Einblicke in die Forschung gibt es an den Infoständen und auch bei den Workshops der Wissenschaftstage. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein Besuch der Wissenschaftstage, die noch bis Dienstag dauern, verdeutlicht die enorme Bandbreite der Forschung. So fahnden Physiker der TU München im Gran-Sasso-Untergrundlabor in Italien nach Dunkler Materie, indem sie Kristalle fast bis zum absoluten Nullpunkt herunterkühlen und darauf lauern, dass deren Atome von den gesuchten Teilchen angestupst werden. Andere Wissenschaftler erklären an ihren Info-Ständen, wie mit Laserstrahlen Krebs geheilt werden soll oder wie die Virtuelle Realität Patienten helfen kann, die einen Arm oder ein Bein verloren haben. "Die Zukunft ist das Kind der Gegenwart", sagte Frank Holl bei seiner Eröffnungsrede. "Wir alle gestalten sie - ob wir wollen oder nicht."

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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