Münchner in Berlin:Bittsteller aus der Boomregion

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Wer auf der A 9 Richtung Berlin fährt, kommt schon bei Fröttmaning am Berliner Bären vorbei. (Foto: Florian Peljak)

Kommunalpolitiker aus München und der Umgebung fahren in diesem Monat gemeinsam nach Berlin, um für Probleme des Großraums wie Verkehr oder Wohnungsnot die Unterstützung der Bundesregierung einzufordern

Von Heiner Effern und Dominik Hutter, München

Es wird eine lange Fahrt werden, so viel ist gewiss. Knapp 600 Kilometer nordwärts auf der A 9, im Bus bis nach Berlin. Viel Gelegenheit also zum Ratschen und Kennenlernen, es geht auch um Gruppendynamik, wenn sich am 24. November die Kommunalpolitiker der Region München gemeinsam auf den Weg in die Bundeshauptstadt machen. Start ist morgens um 8.30 Uhr hinter dem Münchner Rathaus - Zeit genug also, um auch bei möglichen Staus noch rechtzeitig zum ersten Termin da zu sein. Der findet um 18.30 Uhr im Haus der Deutschen Wirtschaft statt, ganz nah an der Baustelle des Berliner Stadtschlosses.

Dort, beim Parlamentarischen Abend, wollen die Politiker gemeinsam einfordern, was die im Eiltempo wachsende Region in den kommenden Jahren benötigt. Es soll um Straßen und Schienen gehen, um Wohnungen und die leidige Finanzierung des Nahverkehrs. Mitglieder der Delegation sind neben Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) seine Amtskollegen Max Gotz (CSU; Erding) und Gabriele Bauer (CSU; Rosenheim) sowie IHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen und die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Zugesagt zu dem Treffen im Franz-von-Mendelssohn-Saal haben auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Dorothee Bär (CSU). Wer sonst noch so kommt, ist im Münchner Rathaus noch nicht bekannt. Allerdings funktioniert das Ganze natürlich nur, wenn der großen Zahl an Kommunal- auch eine gewisse Menge an Bundespolitikern gegenübersteht. Als Adressaten.

Der Großraum München hat in der Bundespolitik einen schweren Stand. Die Haltung, "das können die doch locker selbst zahlen", ist in anderen Regionen Deutschlands weit verbreitet - zumal viele deutsche Städte eher mit Schrumpf- als mit Wachstumsproblemen kämpfen. Bayerns Landeshauptstadt hingegen, die erst vor wenigen Monaten den 1,5-millionsten Münchner begrüßt hat, schielt bereits auf die 1,6- und 1,7-Millionen-Marke. Die Industrie- und Handelskammer rechnet bis 2031 mit 260 000 neuen Einwohnern im Großraum. Die Hälfte davon soll in München unterkommen.

Die Kommunalpolitiker fordern nun, dass rechtzeitig investiert wird - in Verkehrsprojekte wie in den Wohnungsbau. Ganz vorne steht das Schlüsselprojekt für die gesamte Region, die zweite S-Bahn-Stammstrecke. Aber es soll auch um eine bessere Flughafenanbindung gehen, den Brenner-Zulauf, die Strecke zum Chemiedreieck bei Burghausen sowie den Bahnknoten München, an dem sich die Trassen Paris-Wien und Berlin-Rom treffen. Weitere Themen sind Münchner U-Bahn und Tram. Zwar hat sich die Bundespolitik inzwischen auf eine Fortführung der Nahverkehrsförderung (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) geeinigt. Mit dessen karger finanzieller Ausstattung lassen sich aber keine großen Sprünge machen. Beim Straßenverkehr stehen die Salzburger und die Passauer Autobahn im Mittelpunkt der Forderungen.

Doch die Busfahrt soll nicht nur Druck bei Verkehrsprojekten machen, sondern auch helfen, die Wohnungsnot anzugehen. Ohne eine enge Kooperation zwischen der Metropole München und dem Umland bis hin zu den Städten Landshut, Mühldorf, Rosenheim und Augsburg werde diese im Großraum nicht zu lösen sein, sagt Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des bayerischen Städtetags. Er wird am zweiten Tag bei einem Arbeitsfrühstück aber vor allem eines klar machen: Dass der Bund seine Zuschüsse für den Wohnungsbau deutlich erhöhen muss. Berlin und das Land Bayern hätten die Fördermittel zwar auf 2,6 Milliarden Euro angehoben, das entspreche dem Volumen der Spätaussiedler-Förderung in den 1990er Jahren. "Heute können damit aber nur halb so viele Wohnungen gebaut werden", sagt Buckenhofer.

Geboren wurde die Idee, mit Bussen nach Berlin zu touren, auf einer Stadt-Umland-Konferenz im März. Damals sagte OB Reiter zu, die Fahrt zu organisieren, die aus der Einsicht entstanden war, dass die Region vor allem den Ausbau von Straße und Schiene niemals allein packen kann. Besonders wichtig an dem Treffen im Münchner Alten Rathaus, zu dem immerhin rund 400 Kommunalpolitiker gekommen waren, war aber auch die symbolische Wirkung. Denn Stadt und Umland sind sich nicht immer so grün, wie es politisch zweckmäßig wäre. Die Zusammenarbeit, das ist allgemeiner Konsens, ist noch ausbaufähig.

Auch die Rosenheimer Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer wird mit im Bus nach Berlin sitzen. Das ist für eine Veranstaltung der Metropolregion nicht selbstverständlich, weil sich die Stadt am Inn ausdrücklich nicht zum Speckgürtel der Landeshauptstadt zählt. Doch viele Partner der Metropolregion hatten bisher den Eindruck, dass sich München hauptsächlich für diese interessiert. Bauers Anliegen sei es, dass nicht nur München und sein Speckgürtel gemeinsam vorgehen, sondern "dass wir erstmalig als Zusammenschluss von München und der Region die künftigen Herausforderungen angehen".

Die Voraussetzungen dafür sind günstig. Die Rosenheimer Oberbürgermeisterin macht seit den ersten Treffen mit Reiter keinen Hehl daraus, dass sie ausgesprochen gut mit diesem auskommt. Dass der Münchner OB ein SPD-Mann ist, stört die CSU-Politikerin nicht. "Es geht als Kommunalpolitiker darum, pragmatische Lösungen zu finden."

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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