Finanzmanager ermordet: Prozessauftakt:"Hohes Gericht, ich bin unschuldig"

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Mit 13 Kugeln soll Hausmeister Rainer H. den Finanzmanager Dirk P. ermordet haben - nur, um an dessen Auto zu kommen. Die Beweislast ist erdrückend, doch vor Gericht streitet H. die Tat ab.

Lisa Sonnabend

Die Leiche lag im Kofferraum, mit Handschellen gefesselt, getroffen von 13 Kugeln. Die Kaltblütigkeit, mit der der Investment-Manager Dirk P. getötet wurde, hat München erschüttert. Der 36-jährige Familienvater musste wohl sterben, da es der mutmaßliche Täter auf sein Luxusauto abgesehen hatte.

Der Hausmeister Rainer H. (Mitte), hier begleitet von seinem Verteidiger und einem Polizisten, beim Prozessauftakt in München. Dem 40-Jährigen wird vorgeworfen, den Finanzmanager Dirk P. brutal ermordet zu haben. (Foto: dapd)

Seit Dienstagmorgen muss sich Rainer H. vor dem Landgericht München I wegen P.s Tod verantworten. Die Indizien sprechen eindeutig gegen den Angeklagten. Der 40-jährige Hausmeister aus Laim ist angeklagt wegen Mordes, falscher Verdächtigung, Verstoßes gegen das Waffengesetz, Falschbeurkundung und Urkundenfälschung. Der Vorwurf Mord wiegt natürlich am schwersten.

Rainer H. betritt den Gerichtssaal im Anzug, in der Hand hält er ein Notizbuch. Er trägt keine Handschellen. Während er seine Verteidiger begrüßt, lächelt er - entspannt. Die blonden Haare fallen ihm in die Stirn, an den Schläfen sind sie leicht ergraut.

Ihm gegenüber sitzt die Witwe des Ermordeten, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt. Als sie Rainer H. ansieht, schluckt sie. Daniela P. trägt ein schwarzes Kleid, einen schwarzen Schal, ein schwarzes Haarband, sogar ihre großen Ohrringe sind schwarz.

Die Verteidiger kündigen an, dass Rainer H. keine Angaben machen sondern nur eine kurze Erklärung abgeben werde. Und die fällt denkbar kurz aus. "Hohes Gericht, ich bin unschuldig", sagt der Angeklagte. Ein Raunen geht durch den Saal. Einer der Verteidiger sagt noch: "Das war's."

Motiv: Habgier?

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft zahlreiche Details zusammengetragen - damit zeichnet sie aus ihrer Sicht ein genaues Bild des Mordfalls. Eine halbe Stunde dauert die Verlesung. Demnach soll Rainer H. den 36-jährigen Dirk P. aus Habgier umgebracht haben. Das Ziel sei gewesen, "in möglichst kurzer Zeit, möglichst viel Geld zu verdienen".

P. wollte sein Auto, einen schwarzen Audi, für 53.999 Euro über eine Internetanzeige verkaufen und sei dabei an Rainer H., der finanziell in Not war, geraten. Am 14. Januar 2010 trafen sich laut Anklage die beiden Männer zu einer Probefahrt, daraufhin verschwand P. spurlos. Zwei Tage später fand die Polizei die Leiche in einem Lieferwagen in der Garage von Rainer H. - auf den mit Handschellen gefesselten Manager waren 13 Kugeln aus einer Kleinkaliberwaffe abgefeuert worden.

Der Lieferwagen gehörte Rainer H., der Audi parkte in der Nähe seines Hauses in Laim. Bei der Festnahme zwei Tage nach der Tat hatte der Angeklagte Geldbeutel, Papiere und Schlüssel des Getöteten bei sich. Auch die Kleinkaliberwaffe fand die Polizei bei Rainer H.

Zweifel an der Schuld des 40-Jährigen haben nur wenige. Denn auch das Alibi des Angeklagten gilt als widerlegt. Rainer H. behauptete, er habe zum Tatzeitpunkt gearbeitet. Eine Überwachungskamera habe den Angeklagten jedoch gemeinsam mit P. im U-Bahnhof Prinzregentenplatz gefilmt, heißt es in der Angklage. Die Ermittler gehen davon aus, dass Rainer H. die Tat "von langer Hand geplant" hatte. Er hatte es offenbar auf den Wagen des Opfers abgesehen, da er auch versucht habe, das Fahrzeug unter falschem Namen weiterzuverkaufen, so die Anklage.

Während die Anklage verlesen wird, blickt Rainer H. starr geradeaus oder gelangweilt an die Decke. Er hat die Arme verschränkt und wippt unaufhörlich mit den Füßen.

Da der Angeklagte keine Angaben macht, gibt ein psychiatrischer Sachverständiger wieder, was Rainer H. ihm bei einem Besuch im Gefängnis in Stadelheim erzählt hatte. Demnach wuchs Rainer H. als Einzelkind in Schwabing auf. Seinen Vater beschreibt er als konservativ und recht streng, die Mutter sei dagegen sehr weich gewesen. Nach der Mittleren Reife machte er eine Lehre und arbeitete bei verschiedenen Betrieben, versuchte aber gleichzeitig nebenbei eine eigene Firma aufzubauen.

1999 heiratete er und bekam mit seiner Frau zwei Kinder. Doch die Beziehung kühlte ab, deswegen kam es 2005 zur Trennung. Rainer H. besuchte seine Familie jedoch weiterhin regelmäßig - bis es 2008 zum Bruch kam. Die Frau wechselte das Schloss aus, er durfte seine Kinder nicht mehr sehen. Auch eine neue Beziehung von Rainer H. scheiterte zu dieser Zeit. Zum Sachverständigen sagte der Angeklagte, 2008 und 2009 sei ein Katastrophenjahr gewesen. Er sei finanziell klamm gewesen. Dies begründet Rainer H. aber damit, dass er aus buchungstaktischen Gründen auf einigen Konten im Minus gewesen sein - er wollte mögliche Unterhaltszahlungen umgehen.

Die Witwe sagt aus

Mehr als 100 Zeugen könnten in dem Prozess gehört werden. Es sind 14 Verhandlungstage angesetzt, das Urteil wird frühestens am 3. Dezember fallen. H. könnte mit lebenslanger Haft bestraft werden. Sollte die besondere Schwere der Schuld festgestellt werden, kann er nicht mit einer vorzeitigen Entlassung nach 15 Jahren rechnen.

Bedrückende Stimmung herrscht, als Daniela P., die Witwe des Getöteten, den Tag der Tat schildert: Als sie sich in der Früh von ihrem Mann verabschiedete, wollte die damals fünfjährige Tochter Dirk P. nicht gehen lassen und klammerte sich an sein Bein. Später versuchte die Daniela P., ihren Mann am Handy zu erreichen. Erfolglos. Da sie vereinbart hatten, dass sich Dirk P. nach dem Verkauf melden solle, schaltete die 36-Jährige gegen 14 Uhr die Polizei ein und meldete ihren Mann als vermisst.

Dirk P. hatte das Auto erst 2009 ersteigert - für weniger als 30.000 Euro, sagt die Witwe. Wegen der Innenausstattung mit Leder sei das Ehepaar zu dem Schluss gekommen, dass das Auto nicht geeignet sei für eine Familie mit Kindern und Hund.

Daniela P. ist gefasst bei der Aussage vor Gericht, ihre Stimme ist klar. Über den Verlust ihres Mannes sagt sie: Als Mutter gehe es ihr okay. "Als Ehefrau, beste Freundin und Partnerin geht es mir nicht so gut", fügt sie an. "Er fehlt mir sehr, es ist noch nicht abgeschlossen." Die letzte SMS, die Daniela P. am Vormittag von ihrem Mann bekam, endete mit: "Ich liebe dich."

Im Festnetztelefon daheim sei noch immer die Nummer von Dirk P.s Handy gespeichert, berichtet die Witwe. Manchmal rufe die jüngere Tochter dort an. Dann geht die Mailbox an und Dirk P.s Stimme erklingt. Die Tochter erzähle ihrem Vater dann Neuigkeiten aus ihrem Leben.

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