Mordversuch in München:Jugendliche auf Schlägertour

Lesezeit: 2 min

Fünf Jugendliche aus der Schweiz schlagen am Sendlinger Tor in München fünf Passanten nieder. Die Staatsanwaltschaft nennt es einen "Amoklauf ohne Waffe" - und beantragt Haftbefehl wegen Mordversuchs.

Susi Wimmer

Es war fast wie ein Amoklauf, "nur ohne Waffe", sagt Staatsanwalt Laurent Lafleur. Fünf Schweizer Schüler auf Klassenfahrt haben Dienstagnacht am Sendlinger Tor wahllos fünf Passanten angegriffen, niedergeprügelt, getreten und teils schwerst verletzt. "Nur so zum Spaß", sagen die Täter. Ihnen drohen wegen versuchten Mordes mehrjährige Haftstrafen.

Wahllos attackieren fünf Jugendliche einen Geschäftsmann am Sendlinger-Tor-Platz. Er erlitt Knochenbrüche, ein Schleudertrauma und einen teilweisen Gedächtnisschwund. (Foto: Foto: dpa)

Was Mordermittler Manfred Heger und Staatsanwalt Laurent Lafleur schildern, ist an Rohheit kaum zu überbieten. Und: Es hätte jeden Passanten treffen können, der am Dienstagabend im Bereich des Sendlinger-Tor-Platzes unterwegs war. Am schlimmsten wurde ein 46-jähriger Geschäftsmann aus Ratingen attackiert. Er wurde zu Boden geschlagen und mit Tritten gegen den Kopf malträtiert. Ihm fügten die Täter mehrfache Knochenbrüche im ganzen Gesicht zu, außerdem erlitt er ein Schleudertrauma und teilweisen Gedächtnisschwund.

Für die etwa 30 Zehntklässler der Weiterbildungs- und Berufswahlschule Küsnacht (Zürich/Schweiz) und ihre vier Lehrer, die sich auf Klassenfahrt in München aufhielten, verlief der Dienstag zunächst planmäßig mit Besichtigungstouren, dann Abendessen - und Freizeit. Die zehnte Klasse dieser Schule ist speziell für Jugendliche gedacht, die nach der Volksschule keine Lehre finden oder den Übertritt in eine Mittelschule nicht geschafft haben.

Ein Pulk von sechs bis sieben Burschen zog nach dem Essen von der Jugendunterkunft an der Landwehrstraße in Richtung Hauptbahnhof und deckte sich mit Tequila und anderen Alkoholika ein. Nach Angaben von Heger rauchten sie auch Marihuana. Als sie gegen 23.35 Uhr die Sonnenstraße entlanggingen, waren sie zwar berauscht, aber "so wie sie vorgingen, wussten sie schon noch, was sie taten", meint Lafleur.

Ohne Grund gehen die Jugendlichen auf das Opfer los

Gegen 23.35 Uhr stand die Gruppe am Sendlinger-Tor-Platz, vor dem ehemaligen ADAC-Gebäude. Ein 46-jähriger Versicherungskaufmann, der von einem Geschäftsessen kam und in sein Hotel zurück wollte, kam an der Gruppe vorbei. Er beachtete die Jugendlichen nicht, sprach nicht mit ihnen, sah sie nicht einmal an, als plötzlich der 16-jährige Mike B. auf ihn losging und ihn mit einem Schlag zu Boden streckte.

Dann kamen Ivan Z. und Alex D. hinzu, ebenfalls 16, und traten mit den Füßen gegen den Kopf des Opfers. Inwieweit ein 15- und ein 17-Jähriger aus der Gruppe in die Tat verstrickt waren, werde man noch klären, meinte Heger. Anschließend rannten die Jugendlichen in Richtung Gästehaus an der Landwehrstraße. Auf dem Weg versetzten sie einem 27-jährigen Studenten noch ein paar Boxhiebe; und auch bereits vor dem Angriff auf den Geschäftsmann haben die Jugendlichen offenbar drei ältere Männer attackiert. Hier sucht das Kommissariat 11 (Telefon 2910-0) noch die Opfer oder auch Zeugen.

Nach der Tat zogen sich die Schläger in der Jugendherberge um. Vier von ihnen wurden kurz darauf festgenommen. Den fünften Verdächtigen zogen die Ermittler während der Heimfahrt aus der Reisegruppe. Die Lehrer hatten die Klassenfahrt abgebrochen und am Mittwoch die Heimreise angesetzt.

Von Reue keine Spur

Von Reue, so sagt Heger, sei nicht viel erkennbar bei den Jugendlichen. Alle fünf sind bei der heimischen Polizei keine Unbekannten, tauchen aber laut Lafleur im Strafregister nicht auf. Der Staatsanwalt beantragte Haftbefehl gegen die drei 16-Jährigen wegen versuchten Mordes. Fußtritte gegen den Kopf werte man grundsätzlich als versuchtes Tötungsdelikt. Hinzu komme als Mordmerkmal, dass der Geschädigte heimtückisch und völlig unvorhersehbar angegriffen worden sei. Er habe sich nicht schützen können.

Zudem hätten die Täter aus "niedrigen Beweggründen" gehandelt. Sie hätten nur "den Kick gesucht und wollten Spaß haben", zitierte Lafleur, "wir wollten ein paar Leute wegklatschen". Den Ernst der Lage, so ein Ermittler, hätten die 16-Jährigen noch nicht erkannt: "Die denken, dass sie mit ein, zwei Wochen Jugendarrest davonkommen." Tatsächlich sieht das Jugendstrafrecht für versuchten Mord eine Haftstrafe bis zu zehn Jahren vor.

© SZ vom 03.07.2009/dab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: