Modernes Material:Hauptstadt des Stahlbetons

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Ein Monument aus Beton: der Turm des Deutschen Museums. (Foto: Robert Haas)

Der neue Baustoff verdrängt die altbewährten Ziegelsteine

Von Stefan Mühleisen

So wichtig der Baustoff einst für München war, vom Ziegel-Zeitalter sind heute nur noch Relikte übrig. Nur wenige Betriebe überlebten den Zweiten Weltkrieg. In Oberföhring stehen noch einige Überreste, zudem eine restaurierte Ziegelei als Industriedenkmal. In München sind die markanten Schlote verschwunden; nur am Preysingplatz in Haidhausen erinnern zwei gebeugte, steinerne Arbeiter am "Ziegelbrenner-Brunnen" an diese Ära.

Um 1935 sind bereits zwei Drittel der Lehmvorkommen im Münchner Raum ausgebeutet. Ohnehin ist der Siegeszug des Stahlbetons als Baumaterial nicht aufzuhalten. Bereits 1912 rühmt das Buch "München und seine Bauten" den Beton als innovativen Baustoff, zumal ausreichend Kies vorhanden sei. Zwischen 1900 und 1914 avanciert München zur "heimlichen Hauptstadt des Stahlbetons" - so lautet vor knapp zehn Jahren der Titel einer Tagung im Deutschen Museum. Der Ort ist gut gewählt, schließlich war das Deutsche Museum eines der ersten großen Stahlbetongebäude in Deutschland. Alle wesentlichen Bauteile sind aus dem Material - auch der 60 Meter hohe Turm. Mit Stahlbeton sind zudem die großen Kaufhäuser in der Innenstadt oder die neuen Isarbrücken erbaut.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es zunächst kaum Baumaterial - nur Trümmer. 45 Prozent der Gebäude liegen in Schutt und Asche, ein Drittel der Häuser ist nicht mehr bewohnbar. Trümmerfrauen suchen im Geröll nach brauchbaren Ziegeln und kratzen den Mörtel ab. Zeitgenössische Akten der Stadtverwaltung sehen einem Bedarf von 117 000 Wohnungen. Innerhalb von zwei Jahren gelingt es, immerhin 20 000 Wohnungen wieder aufzubauen.

Doch erst in den Fünfzigerjahren kommt die Baubranche wieder so richtig unter Dampf. Häuser, ja Hochhäuser aus Stahl und Beton gelten nun als modern. Die Münchner Bauherren sind gehalten, einen architektonischen Kontrapunkt zur Zeit des Nationalsozialismus zu setzen - der Ziegelstein ist damit passé. Einer der ersten Münchner Wohnsiedlungen aus dem mit Zement gebundenen Gesteinskörnern errichtet Siemens Anfang der Fünfzigerjahre in Sendling.

© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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