Modellversuche:Irgendwie Pfarrer, irgendwie auch nicht

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Dass ein Laie eine Gemeinde leitet, ja sogar eine Frau - das hat es alles bereits gegeben. Zwei Erfahrungsberichte

Von Jakob Wetzel

Das katholische Erzbistum München und Freising will Verantwortung in ausgewählten Pfarrverbänden stärker in die Hände von Laien geben. Für Erzbischof Reinhard Marx ist das eine Wende - und dass auch Ehrenamtliche in Leitungsfunktionen aufrücken können sollen, das ist tatsächlich neu. Anderes aber wirkt in der Erzdiözese bereits halbwegs vertraut. Denn der Grundgedanke, dass ein Priester nicht immer die Geschäfte einer Pfarrei führen muss, und dass stattdessen an der Spitze einer Gemeinde ein Team arbeitet, das hat es bereits gegeben. Mehrere Pfarreien in der Erzdiözese haben damit bereits Erfahrungen gesammelt.

Zum Beispiel die Pfarrei Frieden Christi im Münchner Olympiadorf. Von Sommer 2003 bis Ende 2007 gab es hier keinen Pfarrer. Stattdessen leitete der Pastoralreferent Franz Kohlhaber die Gemeinde gemeinsam mit wechselnden priesterlichen Leitern. "Aus meiner Sicht ist das damals sehr gut gelungen", sagt Kohlhuber, der die Pfarrei längst verlassen hat und heute Seelsorger am Münchner Flughafen ist. Für ihn sei das zunächst eine unerwartete Chance gewesen. Von der Kirche bekam er dann entsprechende Schulungen, zum Beispiel im Arbeitsrecht. Er habe sich um die Verwaltung gekümmert, um die Finanzen und auch zum Beispiel um die Belange des Kindergartens, wenn die Kirche als Träger gefragt war. Und während Kohlhuber blieb und das Siegel der Pfarrei verwahrte, kamen und gingen die Priester. Sieben Kleriker habe er in den fünf Jahren erlebt, sagt Kohlhuber. Konflikte habe es mit keinem von ihnen gegeben. "Und auch von den Ehrenamtlichen gab es keine Vorbehalte der Sorte: Das muss doch jetzt ein Pfarrer machen!" Warum Kardinal Marx das Modell nach seinem Antritt in München verworfen habe, sagt Kohlhuber, habe er nie nachvollziehen können.

Dass es in der katholischen Pfarrei Frieden Christi im Münchner Olympiadorf vor einigen Jahren keinen Pfarrer gab, sei eine "gute Erfahrung" gewesen, sagt Franz Kohlhuber. (Foto: Florian Peljak)

Noch länger als Franz Kohlhuber stand Judith Müller an der Spitze einer Gemeinde. Die Pastoralreferentin leitet heute die Gemeindeberatung im Erzbischöflichen Ordinariat; sie ist Teil der Projektgruppe "Pastoral planen und gestalten", aus der die im Herbst beginnenden Pilotprojekte hervorgegangen sind. Für fast zehn Jahre aber, von Herbst 2000 bis Sommer 2010, arbeitete sie als Pfarrbeauftragte in Sankt Peter und Paul in Olching - und auch hier ohne Konflikte, zumindest am Ende. Der Anfang dagegen war turbulent.

Als es im Jahr 2000 begann, war der frühere gerade Pfarrer gerade sehr kurzfristig ausgeschieden; Müller war damals frisch promoviert. Die Anfrage, erzählt sie, kam sehr plötzlich. "Theoretisch wusste ich damals schon, was eine Pfarrbeauftragte ist", sagt sie. Nicht zuletzt im "Pastoralen Forum", das Kardinal Friedrich Wetter zu Beginn der Neunzigerjahre einberufen hatte, habe sie sich unter anderem damit beschäftigt. "Was es aber bedeutet, wenn man von heute auf morgen in eine Pfarrei mit fast 10 000 Katholiken kommt, die ihrerseits nicht darauf vorbereitet sind, das wusste ich nicht."

Anfangs habe es durchaus Irritationen gegeben, erzählt Müller. Die Gemeindemitglieder waren einen Pfarrer gewohnt. Nun gab es zwar einen Priester - oft waren es frühere Ordenspriester, die ihre Gemeinschaft verlassen hatten -, aber der war nicht der Chef, sondern nur einer von mehreren. Was eine Pfarrbeauftragte war, das wussten ohnehin nur wenige. Und dann auch noch eine Frau - in der katholischen Kirche war allein das eine Sensation. An Müller schieden sich die Geister. "Ich bin zur Verkörperung einer strukturell bislang ungelösten Frage geworden", sagt Müller. Einfach sei das anfangs nicht gewesen. Aber sie sei standhaft geblieben, und die Wogen hätten sich geglättet.

Müller baute in Olching ein vierköpfiges Team auf; es gab neben ihr einen Priester, einen Diakon und einen Gemeindereferenten. Die Aufgaben waren klar verteilt, regelmäßig traf sich das Team, um sich abzustimmen. Alle hätten die Absprachen loyal durchgehalten, sagt sie. Und es sei wichtig, miteinander auch informell in Kontakt zu bleiben, etwa miteinander Kaffee trinken zu gehen. Dabei seien ihnen in Olching damals die besten Ideen gekommen.

Pastoralreferentin Judith Müller. (Foto: Ordinariat München)

Müller gab den Posten nach zehn Jahren auf - da war Reinhard Marx seit zwei Jahren Münchner Erzbischof. Der Kardinal hielt nichts von der Idee der Pfarrbeauftragten. Sie sei aber nicht deshalb gegangen, sagt Müller. Sie habe sich einfach verändern wollen.

Heute ist Müller an einer Position im Ordinariat, in der sie sowohl die Sorgen der Pfarreien als auch die kommenden Pilotprojekte im Blick hat. Deren Beginn erwartet sie mit Spannung. "Ob etwas gut funktioniert, hängt ja immer auch von den Personen ab", sagt sie. Schon mit den Pfarrbeauftragten habe es nicht überall funktioniert. Aber in den vergangenen Jahren habe man vieles ja bereits einüben können: dass es in manchen Gemeinden keinen Pfarrer gibt, sondern einen Pfarrvikar, der in einem Seelsorgeteam mitarbeitet, zum Beispiel. Oder auch Zusammenarbeit von Hauptamtlichen mit Ehrenamtlichen. "Auch das neue Modell wird manchmal super laufen, und manchmal wird es konfliktbehaftet sein", sagt Müller. "Aber wir fangen ja nicht bei Null an."

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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