Mode aus München:Schwarz geht immer

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Jeremy McAlpine lässt jedes Modestück seines High-Fashion-Labels Blackyoto in Japan färben. Zuvor kauft er die Stoffe auf Flohmärkten

Von Esther Diestelmann

Kohlrabenschwarz. Secondhand. Von der Unterhose bis zum Tüllkleid. Das ist das Markenzeichen des Münchner High-Fashion-Labels Blackyoto. "Ich würde nie neue Stoffe kaufen. Je älter, desto besser", sagt der Brite Jeremy McAlpine, 52. Das war die Idee, mit der er das Label im Jahr 2013 gründete. Seither streift er durch Europa. Zieht von Flohmarkt zu Flohmarkt. Immer auf der Suche nach alter Militärkleidung für Männer und raffinierten Kleidungsstücken aus der Zeit um die Jahrhundertwende für Frauen. In der aktuellen Kollektion sind vor allem Pumphosen, Unterröcke, Schlafkleider und Petticoats. Frauen sollen das aber heute nicht im Bett oder unter Kleidern, sondern als neckischen Hingucker tragen.

Upcycling nennt McAlpine das, was er dann mit den alten Kleidungsstücken macht. Die in die Jahre gekommenen Klamotten werden in einem Schwabinger Hinterhof von McAlpines vierköpfigem Team und umliegenden Schneidereien ausgebessert. Sämtliches Material, das sie dafür verwenden, ist ebenfalls Vintage. Hier ein neuer Saum aus einer alten Kaffeetischdecke mit Klöppelspitze-Stickereien, dort zwei neue Ärmel aus einem alten Sesselüberwurf. Jedes Stück ein Unikat. Dann werden die Kleidungsstücke verpackt und um den Globus nach Kyoto in Japan verschickt.

"Für mich ist schwarz mehr als nur eine Farbe", sagt der 52-Jährige. Auch er trägt eine schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd. Die Turnschuhe: knallgrün. Es sei eine Kunst, tiefschwarze Kleidung herzustellen. Auf einer seiner unzähligen Japanreisen entdeckte er 2013 die traditionelle japanische Shinkuro-Färbetechnik des Familienunternehmens Kyoto Montsuki. Hier wurden 1990 auch die Kostüme für die Krönungszeremonie des japanischen Kaisers Akihito veredelt. Die Kunst sei es, jede einzelne Faser mit der Farbe zu vermengen. Nach altem Brauch muss hierfür jedes Kleidungsstück mindestens zweimal eingefärbt werden. Nur so könne man die Lichtreflexe, die das Schwarz weniger kräftig wirken lassen, aus der Kleidung verdrängen, sagt er. Für die sensiblen Seidenstücke aus seiner Kollektion bevorzugt er die Färberei Banba. Ihre spezielle Technik mit geheimer Rezeptur verleiht der Kleidung zusätzlich eine samtene Haptik.

"Schwarz ist in Japan mehr als eine Trauerfarbe."

Getrocknet werden die Kleidungsstücke auf den Dächern der Färbereien. "Schwarz ist in Japan mehr als eine Trauerfarbe, sie steht vor allem für Eleganz und Anmut," sagt er. Deshalb sei er sich auch sicher, dass er seine Entscheidung, nur schwarze Kleidung anzubieten, nie bereuen werde. Schwarz geht immer, sagt er.

Vintage-Kleidung und japanische Färbung: eine perfekte Symbiose. Die japanische Färbetechnik, bei der durch Oxidation das leuchtende Schwarz entsteht, ist nur auf natürlichen Stoffen möglich, und die alten handverlesenen Kleidungsstücke von Blackyoto bestehen meist zu 100 Prozent aus Baumwolle. Nur logisch, dass nun dort, wo auch seit einem Jahrhundert die Stoffe für japanische Kimonos gefärbt werden, auch die Zwirne für Blackyoto in Farbwannen getaucht werden. Es gebe an sich schon alles in der Branche, aber diese uralte Technik habe noch keiner für Mode von heute entdeckt, sagt McAlpine. Und er könnte es wissen, er kennt die Branche seit 30 Jahren.

Seit seiner Jugend begeisterten ihn Mode und Stoffe. Musiker David Bowie war der Stein des Anstoßes. Sagt McAlpine zumindest. Dessen extravaganter Kleidungsstil, vor allem aus der Zeit, in der er sein Album "Diamond Dogs" aufnahm, faszinierte ihn.

Um Italienisch zu lernen, ging er während seines Kunsthistoriker-Studiums nach Mailand. Das wurde jedoch bald zur Nebensache. Weil er italienisch spricht, engagierte ihn - zurück in Großbritannien - Henry Lloyd, ein Hersteller für Segelbekleidung. Von da an ging es bergauf mit McAlpines Karriere. Er wurde dort Sales Manager. Dann Manager für CondéNast Deutschland. Wenig später Promotion-Manager der Männer- Vogue.

Ein Zufall verschlug ihn vor knapp 30 Jahren nach München. Eigentlich sollte er nur für ein halbes Jahr nach Bayern, um den Vertrieb des britischen Männer-Labels "Paul Smith" in Deutschland voranzutreiben. Es kam anders: "Ich habe mich in München verliebt. Zuerst in die Stadt, dann in eine Frau", sagt McAlpine. Inzwischen sei München Heimat geworden. Er beschloss, sich selbständig zu machen: McAlpine Consulting, ein Multibrand-Showroom. Dort vertreibt er unter anderem Jeans - keine herkömmlichen Hosen, Luxus-Jeans, von 700 Euro an aufwärts. "Denim PRPS" heißen die Stücke.

Seine Mode präsentiert er in Reisekoffern - so schwarz wie seine Kollektion

McAlpine ist umtriebig. Nebenbei folgte ein Exkurs in die Welt der Surfer-Mode. Gemeinsam mit dem Sohn der amerikanischen Surflegende Dorian Paskowitz verkaufte er die ersten T-Shirts des Labels lightning bolts: besonders aufwendig hergestellt, edle Stoffe, High-End-Produktion. Das ist McAlpines Anspruch für alle seine Marken. "Wenn ich eine Marke einführe, platziere ich sie immer ganz oben, das macht eine Marke begehrt", sagt er. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht. Überhaupt ist McAlpine gerne auf dem ersten Platz. So erzählt er, dass er 1993 deutscher Nationalspieler im Cricket-Team war. "Ich bin mit Deutschland Europameister geworden", sagt er. Es sei allerdings nur eine kleine Europameisterschaft gewesen, an der nur die eigentlich nicht Cricket-spielenden Länder teilnehmen durften. Es ist eine Sportart, die er erst in München für sich entdeckt hat.

In den ehemaligen Räumen eines Fotostudios ist der Showroom für seine Kollektionen von Blackyoto untergebracht. Weiß angestrichene Dielenholzböden, hohe weiße Wände, schwarze Kleider auf Kleiderstangen. McAlpine will mit Blackyoto in den Olymp der Modemacher. Der Schlüssel dafür? Exklusivität.

Gelassen, aber kindlich verschmitzt erzählt er von seinem neusten Coup. Er lehnt sich zurück, legt ein Bein über das andere. Bei einer Schlossauflösung in Baden-Baden sei er fündig geworden. Kleider, so rar und in einem solch guten Zustand. Wie geschaffen für seine Vorstellung von Blackyoto. Zu kaufen gibt es die limitierten Stücke nur in vier ausgewählten Läden: Dover Street Market New York, London und Ginza; Louis in Antwerpen, Maxfield in L.A.; und L'Eclaireur Hérold in Paris. Dort werden Blusen von 1500 Euro an, Kleider von 6000 Euro an über den Ladentisch gereicht.

Für die Präsentation der Kollektion suchte er etwas, das mehr hermacht als eine banale Kleiderstange. Also kaufte er Reisekoffer aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Unter anderem einen vom Leipziger Unternehmer Anton Mädler und einen von Marianne Gräfin von Matuschka. Beide schickte er nach Kyoto. Zurück kamen Koffer, so schwarz wie seine Kollektion. Mit den Koffern voller Kleidung fuhr er zu einem Hotel, in dem traditionell die Einkäufer vieler renommierter Modehäuser untergebracht sind. "Die haben nicht schlecht gestaunt, als sie gesehen haben, wie ich meine Kollektion präsentiere. Old School", sagt er. Und sie haben gekauft. Alles, was er ihnen anbot.

Wenn ein Projekt angestoßen ist, kümmert sich McAlpine bald schon wieder um etwas anderes. Neben dem Launch der Kollektion aus Baden-Baden entwickelte er die weltweite Marketingstrategie für Y-3. Ein Partnerschaftsprojekt von Adidas und dem japanischen Modedesigner Yohji Yamamoto. Der Konzern aus Herzogenaurach habe ihn an Bord geholt, weil sie ihre drei Streifen in den besten Läden der Welt sehen wollten, sagt er. Die Farbe der Kollektion: kohlrabenschwarz.

© SZ vom 01.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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