Missbrauchsprozess in München:Vergewaltiger nach fast 20 Jahren überführt

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Plötzlich ging das Licht in der Schultoilette aus, die 16-Jährige wurde von hinten umklammert. Der mutmaßliche Täter bedrohte die Schülerin mit einer Waffe, raubte sie aus und verging sich brutal an ihr. Nun, fast 20 Jahre später, steht er vor Gericht.

Von Christian Rost

Fast 20 Jahre nach der Vergewaltigung einer 16-Jährigen in einer Schultoilette wird dem mutmaßlichen Täter der Prozess gemacht. Seit diesem Dienstag muss sich Tamer D. vor der Jugendkammer am Landgericht München I wegen Vergewaltigung und schweren Raubes verantworten. Der damals 16-jährige Kantinenhelfer hielt sich am 15. Februar 1995 zufällig in einem Münchner Gymnasium auf und passte das Mädchen in der Toilette ab. Zuerst nahm er ihr mit vorgehaltener Waffe Wertsachen ab, dann verging er sich brutal an ihr. Vor Gericht legte D. ein Geständnis ab.

Die Fahndung nach dem Täter war trotz enormen Ermittlungsaufwands der Polizei ergebnislos verlaufen. Festgenommen wurde D. etwa ein Jahr später nach einem weiteren Sexualdelikt. Eine Verbindung zur ersten Tat ließ sich da aber noch nicht feststellen. Wegen einer psychischen Erkrankung kam er auch nicht in Haft, sondern in den sogenannten Maßregelvollzug. Seit 17 Jahren ist er nun in verschiedenen Abteilungen einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Zuletzt habe er in einer offenen Wohngemeinschaft gelebt, wo er noch immer untergebracht sei, sagte sein Verteidiger Michael Wich.

Neuer DNA-Abgleich führte zu dem Verdächtigen

Der psychische Zustand seines Mandanten habe sich inzwischen deutlich gebessert. Dass er auch die abscheuliche Tat in der Schultoilette begangen hat, stellte sich erst jetzt nach einem neuerlichen computergestützten Spurenabgleich heraus: Am Tatort sichergestelltes DNA-Material stimmte mit dem genetischen Fingerabdruck des mittlerweile 36-Jährigen überein. Beamte der Kriminalpolizei konfrontierten ihn mit dem Ergebnis, woraufhin er das Verbrechen gestand.

Es war ein Mittwoch nach der fünften Unterrichtsstunde, als die Neunklässlerin im damaligen Neubau des Gymnasiums die Toilette aufsuchte. Sie wollte den Raum bereits wieder verlassen, als plötzlich das Licht ausgeschaltet wurde und der 16-Jährige sie von hinten umklammerte. Laut Anklage befahl er dem Mädchen, ruhig zu bleiben, da er es sonst erschießen werde. Dann zerrte er die völlig verängstigte Schülerin in eine Toilettenkabine und versperrte die Tür von innen.

Die 16-Jährige fürchtete um ihr Leben

Von Anfang an habe er geplant, sie zu berauben, beschrieb die Staatsanwaltschaft das Geschehen. Um sein Opfer weiter einzuschüchtern, hielt ihr D. eine schwarze Pistole an die Schläfe. Es handelte sich um eine Luftdruckpistole, die Schülerin ging aber davon aus, dass es sich um eine echte Waffe handeln musste, und fürchtete um ihr Leben. Sie sagte, dass sich ihr Geldbeutel in ihrer rechten Jeanstasche befinde. D. nahm den Geldbeutel mit 26 Mark Bargeld und einer MVV-Karte an sich. Dann holte er ein 30 bis 50 Zentimeter langes Stück Klebeband aus seiner Tasche und verband dem Mädchen damit die Augen. Er entkleidete es fast vollständig und zog sich auch selbst die Hosen bis zu den Knien herunter. Nach der Vergewaltigung - er hielt der Schülerin weiter die Waffe an den Kopf und drohte - zog er sich eiligst wieder an und flüchtete unerkannt aus dem Gebäude.

Weil er die Tat als Jugendlicher begangen hatte und auch zum Schutz des Opfers, dessen Zeugenaussage eine zentrale Rolle in der Hauptverhandlung spielen wird, schloss die Jugendkammer die Öffentlichkeit von dem Prozess aus. Der Fall soll an drei Tagen verhandelt werden. Bereits an diesem Donnerstag könnte ein Urteil gesprochen werden.

© SZ vom 12.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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