Metzgerzeile:Alles Wurst

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Münchner Kulturgut: Die Metzgerzeile am Viktualienmarkt wird 700 Jahre alt. Damals lag sie außerhalb der Stadtmauer. (Foto: Catherina Hess)

Vor 700 Jahren verbannte König Ludwig IV. der Bayer die Schlachter vors Stadttor. Heute preisen sich neun Metzger glücklich über ihre traumhafte Geschäftslage am Viktualienmarkt - und feiern das mit ihrer Kundschaft

Von Tom Soyer

Über den neuzeitlichen Wettlauf von Möbelhäusern mit ihren seltsamen "Jubiläen" können die neun Metzger der berühmten Metzgerzeile am Münchner Viktualienmarkt nur milde lachen: Sie feiern jetzt ein Jubiläum, das über jeden Zweifel am Wortgebrauch erhaben ist - 700 Jahre lang gibt es die Metzgerzeile am Fuße des Petersbergls schon. Das soll in diesem Jahr an vier gesonderten Terminen gebührend gefeiert werden. Dabei wird es natürlich um die Wurst gehen, ums Grillen im Mai, ums Fondue im November - und um ein standorttreues Münchner Metzgerhandwerk, das sich mit seiner Qualität, seinen Rezepturen und seinem allumfassenden Fleisch- und Wurstangebot stolz gegen alle Industrieschlachtereien stemmt.

Dass die Metzgerzeile nicht irgendein Versorgungsbetrieb ist, stellt Bayerns Ernährungsminister Helmut Brunner am Mittwochnachmittag bei einem Rundgang groß heraus. "Mich verbindet viel mit Ihrem Handwerk" sagt er, gern komme er auf einen Sprung von seinem Ministerium in der Ludwigstraße herüber zum Viktualienmarkt, wo er sich an der "Frische, der besonderen Qualität und der hohen Handwerkskunst" erfreue. "Hier hat man den Eindruck, der Faktor Zeit ist nicht das Wichtigste, sondern die Muße, um zu genießen!" Das Wort Slow-Food nimmt der Minister aus Niederbayern nicht in den Mund - aber er meint genau das, und natürlich hören das die beiden Metzger-Funktionäre neben ihm gerne: der Münchner Innungsobermeister Andreas Gaßner und Georg Schlagbauer, der selbst seit immerhin 16 dieser 700 Jahre eine Metzgerei in der Metzgerzeile am Markt betreibt, inzwischen aber auch als Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern im Wortsinne zünftiges Marketing macht. Und auch Theo Hartl, der bereitwillig seinen Senf dazu gibt, wenn die Metzger feiern: Er bietet am Markt seinen leidenschaftlich entwickelten Bio-Feinkost-Senf ("Münchner Kindl") in Dutzenden von verschiedenen Geschmacksrichtungen im eigenen Standl an.

Dass die Geschichte der Metzgereien am Viktualienmarkt im Jahr 1315 mit einer Vertreibung vor die Stadttore begann, ist angesichts ihres heutigen Rufs und wirtschaftlichen Erfolgs eine lustige Anekdote, die Kommunalreferent Axel Markwardt genussvoll einstreut. Denn die Fleischbänke, die damals noch auf dem Münchner Marktplatz - dem heutigen Marienplatz - beheimatet waren, seien natürlich ein hygienisches Desaster gewesen. Kaiser Ludwig IV. der Bayer hat die Knochenhauer und Schlachter dann vors Stadttor geschickt, an den Roßschwemmbach beim Heiliggeist-Spital. Der restliche Markt für "Viktualien", also Lebensmittel, blieb auf dem Marienplatz. Erst 1807 zogen die Marktleute dann ebenfalls hinunter zu den Metzgern, in den Hof des ehemaligen Heiliggeist-Spitals. Die Obst- und Gmiastandler (Gemüsehänder) blicken am heutigen Viktualienmarkt also erst auf eine gut zweihundertjährige Geschichte zurück. "Ein junger Hupfer, quasi", sagt Schlagbauer, und wieder lächeln die Metzger milde.

Die Schirmherrschaft fürs 700er-Jubiläum hat Münchens Zweiter Bürgermeister Josef Schmid übernommen. Kein Zufall, denn ihn interessiert das Wohl dieses Marktes als Wirtschaftsreferent der Stadt, mehr noch ist ihm das Thema aber familiär vertraut: Er ist Sohn eines Metzgers - und preist die Betreiber der Metzgerzeile und den Viktualienmarkt überhaupt. "Der Markt ist eines der Wahrzeichen der Stadt, eine Perle - auch wenn's die EU mühevoller macht, allen Vorschriften zu genügen."

Gefeiert wird mit einem Festgottesdienst in Heilig Geist mit Frühschoppen am Else-Aulinger-Brunnen am 24. Mai, 10 Uhr, sowie mit Info- und Aktionstagen: "Start in die Grillsaison" am 22. Mai (11 bis 16 Uhr), "Der Würstel-Tag" am 17. Juli (11 bis 16 Uhr) und "Fondue-Spezial" am 26. November, 11 bis 18 Uhr.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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