Meine Münchnerin:Ruth Steinführer

Nicoletta Miller vom Laden "Wortwahl Buchkultur": "Ruth Steinführer war für mich schlicht einer der großartigsten Menschen, der im 20. Jahrhundert in München gelebt hat. Bis auf ihren Bruder hat sie die ganze Familie in der Shoah verloren, eine lebensgefährliche Flucht nach Palästina überlebt, und doch kam sie 1952 nach Deutschland. Allem zum Trotze. Viele Jahre lang war sie die Leiterin des Sozialreferats der Israelitischen Kultusgemeinde in München. Sie kämpfte für ihre Gemeinde und sie war für viele Menschen ein Anker in der Welt. Den Brandanschlag auf das Altenheim der Gemeinde 1970 überlebte sie nur durch Zufall. So viel unsagbares Leid, das Ruth da mit sich herumtrug. Der Schmerz war immer da. Aber sie ließ ihm keinen Raum. Ruth überstrahlte alle: ihr Lachen, ihr Humor, ihr Eigensinn, ihr unendliches Wissen. Sie sprengte jeden Rahmen. Ein Mensch des Wortes, zu Hause in der Literatur. Zutiefst misstrauisch gegenüber jeglichen Welterklärungen, die einen Wahrheitsanspruch erheben. Voller Liebe und Empathie für alles Leben: Mensch und Tier. Sie trug die Größe und die Abgründe unserer Geschichte in sich. Ruth verkörperte Menschsein in seiner ganzen Größe und Verletzlichkeit - allem zum Trotze."

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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