Lust am Luxus in München:Prada, Porsche, Pelz

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Krise hin, Krise her. Luxusgüter werden immer noch bestens verkauft - zumindest auf der Maximilianstraße in München. Wo sonst? Ein Stadtspaziergang.

Alexander Mühlauer

Ob sie wusste, dass man hier auf der Maximilianstraße Kleingeld braucht; tja, schwer zu sagen, wahrscheinlich ist es nicht. Sie kannte diese Straße, sie war hier bereits gewesen, zum Weihnachtsshopping, da hatte sie ihren Porsche 911 im Parkhaus an der Oper abgestellt.

Cartier, Dior, Prada, Vuitton - auf Münchens Maximilianstraße haben alle Luxusmarken eine Filiale. (Foto: Foto: Hess)

Doch diesmal machte sie den Fehler und entschied sich für die Parklücke vor den Kammerspielen. Das hat sie nun davon. Jetzt steht sie da und versucht, einen 20-Euro-Schein in den Parkautomaten zu stopfen. Geht aber nicht, der Automat nimmt nur Münzen. Sie, 35 plus, Pelzjacke, Handtaschenhund, sagt: "Mein Portemonnaie hat kein Münzfach." Es klingt wie eine Entschuldigung.

München, Maximilianstraße. Hier parken all jene, denen es prima geht. Wenn es eine deutsche Straße gibt, die der Krise den Mittelfinger zeigt, dann ist es diese. Und wenn einer behauptet, die Lust am Luxus sei vorbei, dann soll er bitteschön hier entlangspazieren.

Vor dem Schaufenster von Dior steht eine Dame mit ihrem Sohn, einen Meter groß, in Ralph Lauren gekleidet, Typ britischer Internatszögling. Er fragt: "Mama, krieg ich heute mein iPhone?" Mama, mit Einkaufstüten von Prada und Louis Vuitton behangen, nickt, "na klar, ich will nur noch kurz hier rein".

München, Maximilianstraße. Nirgendwo in Deutschland konsumieren die Bürger dermaßen demonstrativ. Nirgendwo lässt sich besser beobachten, was der US-Ökonom Thorstein Veblen "conspicuous consumption", also Geltungskonsum nannte. In seinem Werk "The Theory of the Leisure Class" (1899) beschrieb er das Protzen einer Gesellschaft, die sich vor allem über Luxus definierte.

Angesichts der Weltwirtschaftskrise, so heißt es jedenfalls, sei diese Form der Dekadenz verpönt. Vor allem in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien. Die Vermögenden dort lassen ihren Rolls Royce lieber in der Garage stehen. Sie wollen nicht damit gesehen werden. Soweit ist es hierzulande nicht. Noch nicht. Vielleicht müssen die Arbeitslosenzahlen erst noch weiter steigen.

Auf dem Trottoir vor einem Luxus-Autohaus, unweit der Maximilianstraße, parkt ein schwarzer Ferrari F430. Eben jenes Modell, dessen Absatz sich allein im Januar 2009 auf dem deutschen Markt verdreifacht hat. Ein Mann, graue Haare, grauer Anzug, blickt triumphierend auf die Motorhaube. Dann sagt er zu seiner Begleiterin: "Besser hätte ich mein Geld nicht anlegen können."

Krise hin, Krise her, Sparen und Luxus vertragen sich in etwa so gut wie Sportwagenfahrer und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Geht gar nicht.

Am Wittelsbacherplatz, vor der Zentrale des Siemens-Konzerns, stellen Menschen mit Trillerpfeifen große schwarze Lautsprecher auf. Sie tun das, um Gehör zu finden. Bei einer Gesellschaft, der die Krise scheinbar nichts ausmacht. Hier stehen alle jene, denen es schlecht geht. Später wird einer von ihnen das Mikrofon in die Hand nehmen und rufen: "So dürfen die mit uns nicht umgehen!" Trillerpfeifkonzert der Verzweiflung. Sie pfeifen, weil sie Angst haben. Um ihren Arbeitsplatz. Um ihre Zukunft. Im Januar hatte ihr Arbeitgeber Qimonda beim Amtsgericht München Insolvenz angemeldet.

"I'm not a Heuschrecke"

Weiter Richtung Hauptbahnhof, weiter auf der Suche nach Luxus, in Tagen, an denen viele um ihren Job bangen. Zwischen der Basilika St. Bonifaz und dem Alten Botanischen Garten steht "The Charles Hotel". Der Besitzer hat es nach seinem Vater, Lord Charles, benannt. Als er im Jahr 2006 den Grundstein legte, hatte er die latent misstrauischen Deutschen mit dem Bekenntnis beruhigt: "I'm not a Heuschrecke." Nein, eine Heuschrecke ist Sir Rocco Forte nicht. Der Brite ist Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär einer Luxus-Hotelkette, die in Deutschland drei (neben München noch in Berlin und Frankfurt) und weltweit 13 Häuser besitzt.

Rocco Forte, dessen Gesichtszüge an die Römer in Asterix-Comics erinnern, ist nach München gekommen, um zwei neue Hotels zu bewerben, die im Mai eröffnet werden sollen. Eins in Prag, eins auf Sizilien. Wenn einer weiß, wie es um Luxus in Zeiten der Krise bestellt ist, dann er. Also, Sir Rocco, wie geht es einem Luxushotelier? "Ach, wissen Sie, ich bin 64. Ich habe schon viele Krisen erlebt. Und das Tolle ist: Das Bedürfnis nach Luxus ist immer noch da."

Ob er einen Trend zum "stealth wealth", zum "getarnten Reichtum" feststellen könne? Gerade jetzt, wo viele nicht mehr zeigen, was sie haben. "Mit diesem Begriff kann ich nichts anfangen. Klar gab es neureiche Russen, die mit ihrem Geld um sich warfen und unbedingt die teuerste Suite wollten. Ein Jahr später kamen sie dann wieder und hatten gelernt, dass es nicht die Größe der Suite ist, die glücklich macht." Sondern? Sir Rocco räuspert sich, nippt an seinem Espresso, dann sagt er: "Wichtig ist ein angenehmes Umfeld, eines, in dem man sich wohl fühlt. Ohne großes Getue. Das ist Luxus."

Das Wort Luxus kommt aus dem Lateinischen. Im alten Rom galt es, luxuria, das Gegenteil von virtus (Tugend), mit Selbstdisziplin zu vermeiden, weil ein ausschweifender Lebensstil zu Verweichlichung und Schwächung führt.

Und heute? Der Wiener Kultursoziologe Reinhold Knoll beobachtet einen Anstieg von Luxus in unserer Gesellschaft. Zwei Motive seien ausschlaggebend: ein noch stärkerer demonstrativer Konsum und die Tatsache, dass Luxusartikel billiger werden. "Das zeigen nicht nur die Überbuchungen in exotischen Hotels wie in Dubai", sagt Knoll.

"Luxus-Einbuße werden vermutlich unsere Russen erleiden, da sie zu wenig Verständnis für Werterhalt besitzen. Bei der letzten Antiquitätenmesse in Wien haben sie zwar Objekte weglegen lassen - 80.000 Euro aufwärts -, eine Woche später hatten sie diese Reservierungen wieder storniert. Das war für die Händler sehr bitter", erzählt der Wissenschaftler.

Luxus kann so vieles sein. Verschwendung etwa, die man sich leisten können muss. Ein Diamant. Trinkwasser. Oder Gesundheit. Eine HIV-Therapie. Oder eine Rolex. Ein Job. Die Krise konfrontiert Menschen weltweit mit der Lieblingsfrage des Diogenes: Was brauche ich eigentlich? In guten Zeiten, also bis vor kurzem, wird Besitz oft als Last empfunden. Wer alles hat, sehnt sich nach Leere. Stille. Nichts.

Am Münchner Hauptbahnhof steigt eine Frau im Pelzmantel aus einem alten Daimler-Taxi. Junge Punks hängen vor dem Bahnhofseingang herum. Sie begrüßen die Dame mit den Worten: "Hallo, Waschbär." Gelächter. Die Dame sagt: "Hallo, Irokesen." Stille.

© SZ vom 19.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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