Luise-Kiesselbach-Platz:Der Monster-Tunnel

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Graben, bohren, lärmen: Der Luise-Kiesselbach-Platz wird umgepflügt. Im Südwesten des Mittleren Rings entsteht in den nächsten sechs Jahren eine neue Verkehrslandschaft.

Dominik Hutter

Fast 13 Jahre nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid "Drei Tunnel braucht der Mittlere Ring" kommt nun der Luise-Kiesselbach-Platz als letzter an die Reihe. Die Ausschreibung für das 373-Millionen-Euro-Bauwerk beginnt an diesem Freitag, im März fallen 1600 Bäume. Richtig gebuddelt wird von August oder September an.

Tunnel am Luise-Kiesselbach-Platz. (Foto: SZ-Grafik)

"Wahnsinn!", entfuhr es dem Herrn in den Zuhörerreihen immer wieder, als Johann Wittmann vom Baureferat den Sendlingern sein neuestes Projekt vorstellte. "Wahnsinn!" Denn was da bis 2015 im Münchner Südwesten entsteht, hat mit einer einfachen Straßenunterführung nicht mehr viel gemein. In sechs Jahren müssen 600.000 Kubikmeter Erdreich bewegt werden, um auf 2800 Metern Länge eine komplett neue Verkehrslandschaft aus Beton und Asphalt zu schaffen. Im Detail besteht der Tunnel Südwest aus zwei unterirdischen Abschnitten - einer davon teilweise zweistöckig -, einem sieben Meter tiefen Einschnitt ("Trog") sowie einem auf den ersten Blick recht unübersichtlichen System von Ein- und Ausfahrtsrampen.

Drei Meter Abstand zu den Häusern

Den Sendlingern, das ist seit der Infoveranstaltung am Mittwochabend wohl jedem bewusst, stehen ungemütliche sechs Jahre bevor - und wenn man die Neugestaltung der umgepflügten Oberfläche dazurechnet, sind es sogar acht. In den extremeren Bauphasen, die teilweise noch in diesem Jahr anstehen, rauscht der Verkehr des Mittleren Rings mit nur drei Metern Abstand an den Erdgeschossfenstern vorbei - mehr als 100.000 Autos jeden Tag.

Und weil es bis dahin die schützenden Baumreihen nicht mehr gibt, kriegen die Anwohner das gewaltige Verkehrsgeschehen optisch wie akustisch völlig ungefiltert mit. Der große Kahlschlag zwischen Preßburger und Passauerstraße startet bereits im März - während der sommerlichen Vegetationsphase ist das Hackebeil aus Naturschutzgründen tabu.

Gebaut wird nach der sogenannten Deckelbauweise. Dazu werden, für die Nachbarschaft recht unangenehm, 80Zentimeter breite Bohrpfähle im Boden versenkt, die später die Seitenwände des Tunnels bilden. Anschließend betonieren die Arbeiter die Tunneldecke auf das noch unberührte Erdreich. Für diese Bauphase, die noch 2009 beginnt und laut Wittmann bis 2014 dauert, wird an der Oberfläche ein freies Baufeld benötigt.

Der störende Verkehr muss daher immer wieder neu verschwenkt werden - vier- bis fünfmal während der gesamten Zeit. Ist der Tunneldeckel fertig, wird es deutlich ruhiger, denn die restliche Buddelei kann dann nach Bergmannsart unter dem Schutz des Betonschilds stattfinden. Lastwagen transportieren den Aushub über die Tunnelportale ab. Die Arbeitszeiten der Bauarbeiter sind familien- und anwohnerfreundlich ausgelegt: täglich von 7 bis maximal 20Uhr, am Wochenende herrscht ganztägig Ruhe.

Alle Nebenstraßen bleiben erreichbar

Den Autofahrern auf dem Ring steht während der Bauzeit die gewohnte Straßenkapazität zur Verfügung: also sechs Spuren in der Garmischer Straße und am Luise-Kiesselbach-Platz sowie fünf in der Heckenstallerstraße. Sämtliche Nebenstraßen und Einfahrten bleiben erreichbar, und auch für Fußgänger und Radfahrer ist überall noch ein Plätzchen frei. Dennoch wird das Blechgeschehen wohl schon wegen der vielen Verschwenkungen nicht ganz störungsfrei ablaufen. Aber das tut es ja heute auch nicht.

Im Jahr 2015 sollen die ersten Fahrten durch die Röhre möglich sein. Eine Tour von Norden beginnt auf Höhe Westpark - dort wird über zwei separate Rampen der Verkehr des Mittleren Rings und der von der Lindauer Autobahn in die Tiefe geschickt. Die Röhre ist je Richtung drei- bis vierspurig, kurz vor der Waldfriedhof- und Albert-Roßhaupter-Straße gibt es eine Ausfahrtsrampe.

Unter dem Luise-Kiesselbach-Platz zweigt eine Seitenröhre zur Garmischer Autobahn ab, der Hauptverkehrsstrom gen Heckenstallerstraße kommt kurz hinter der Murnauer Straße wieder ans Tageslicht - allerdings in einem sieben Meter tiefen Einschnitt. Kurz vor der Höglwörther Straße geht es erneut in eine Röhre. Eine Ausfahrt führt zur Passauerstraße, der Mittlere Ring selbst gelangt auf Höhe der Wolfratshauser Bahnstrecke ins Freie (um kurz später wieder im Brudermühltunnel zu verschwinden).

In der Gegenrichtung gibt es eine Zufahrtsrampe von der Passauerstraße, einen bis zu zwölf Meter tiefen Seitenarm von der Garmischer Autobahn (der zweistöckige Bereich), eine Ausfahrt zum Luise-Kiesselbach-Platz und, kurz vor der Albert-Roßhaupter-Straße, eine weitere Einfahrt. Wer von der Heckenstallerstraße aus auf die Garmischer Autobahn will, muss auch künftig ebenerdig am Luise-Kiesselbach-Platz abbiegen. Für eine Direktverbindung, betont Stefan Bauer vom Kreisverwaltungsreferat, hätte man eine dritte Tunneletage benötigt. "Das wäre dann schon ehrgeizig".

Mit Ausnahme der Tunneldecke an der Heckenstallerstraße, auf der ein kleiner Park entstehen soll, bleiben alle Straßen an der Oberfläche erhalten. Stark verkleinert, versteht sich.

© SZ vom 20.02.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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