Luftreinhaltung:Hoffen auf die "sauberste Lösung"

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Gibt es eine Rechtsgrundlage für strengere Anforderungen, hätte die Stadt den lange ersehnten Hebel in der Hand, um die Schadstoffwerte der EU vielleicht doch irgendwann einhalten zu können. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Zur Fahrverbots-Debatte in Berlin plädiert Umweltreferentin Stephanie Jacobs erneut für bundeseinheitliche Plaketten. Denn im Alleingang kann die Stadt die Diesel-Stinker nicht von der Umweltzone aussperren

Von Dominik Hutter

Bei der Farbe ist Münchens Umweltreferentin Stephanie Jacobs ganz leidenschaftslos: "Egal, ob blau, grau oder weiß", so die Behördenchefin, "ich plädiere nach wie vor für bundeseinheitliche Plaketten". Entsprechend aufmerksam wird im fraktionsübergreifend plakettenfreundlichen München die aktuelle Fahrverbots-Debatte in Berlin beobachtet, die das Mittel der Wahl vielleicht doch noch zurück aufs Tapet bringen könnte. "Wir brauchen vom Bund Instrumente für saubere Luft in München", betont Jacobs, für die die vor wenigen Monaten auf Eis gelegte Blaue Plakette stets das Mittel der Wahl war. Nur: Im Alleingang kann die Stadt die Diesel-Stinker nicht aussperren.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat nun die Plaketten-Debatte wiederbelebt, diesmal mit weißen und grauen Aufklebern. Die könnten künftig auf Autos pappen, die strenge Normen beim Ausstoß von Stickstoffdioxid erfüllen - die bisherigen grünen, gelben und roten Wapperl sind ausschließlich auf Feinstaub und damit nur einen Teil des Problems zugeschnitten. Gibt es eine Rechtsgrundlage für strengere Anforderungen, die bei der Einfahrt in die Münchner Umweltzone erfüllt werden müssen, hätte die Stadt den lange ersehnten Hebel in der Hand, um die Schadstoffwerte der EU vielleicht doch irgendwann einhalten zu können. Entsprechende Gerichtsurteile machen den Verantwortlichen schwer zu schaffen. Dazu kommt das Bürgerbegehren für saubere Luft, mit dem die Stadt zum Handeln aufgefordert werden soll.

"Die sauberste Lösung für saubere Luft sind neue Plaketten für die in München sehr erfolgreich eingeführte Umweltzone", erklärt Jacobs. Mit dieser Einschätzung ist sie nicht allein: Auch der neue CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl hält eine Regelung, die ganz klar auf den Verursacher abzieht, für den richtigen Weg. Und die Verursacher sind nun einmal Dieselfahrzeuge, vor allem die älteren Baujahrs. "Im Grunde ist das ja eine Neuauflage der Blauen Plakette", analysiert Grünen-Umweltsprecherin Sabine Krieger, "und das finden wir super." Pretzl plädiert allerdings für Ausnahmeregelungen für Anwohner und Handwerker. Was überhaupt kein Problem wäre, wie Jacobs versichert. Mit Ausnahmen und Übergangsregelungen, wie es sie auch bei der Einführung der Umweltzone gegeben hat, ließen sich soziale Härtefälle und unverhältnismäßige wirtschaftliche Einbußen vermeiden.

Ob Hendricks ihre Pläne umsetzen kann, ist allerdings zweifelhaft. Denn CDU und CSU haben bereits Widerstand angekündigt - wie es ihn auch schon gegen die Blaue Plakette gab, die deshalb auf Eis gelegt wurde. Dass Hendricks nun trotzdem einen neuen Anlauf wagt, begründet sie mit dem Scheitern der Verkehrsministerkonferenz im Oktober bei diesem Thema. Die Umweltminister der Länder hätten hingegen Maßnahmen gegen die hohe Stickstoffdioxidbelastung gefordert.

Aus Sicht von SPD-Verkehrssprecher Ingo Mittermaier kommt die Berliner Initiative allerdings reichlich spät. Offensichtlich sei das Problem erst jetzt überhaupt auf Bundesebene angekommen, ärgert sich der Stadtrat, der seit langem die Unterstützung des Gesetzgebers anmahnt. Wenn nun wieder nichts käme, sei das ein "Armutszeugnis". Mittermaier warnt vor pauschalen Lösungen wie etwa einer Aussperrung aller Dieselfahrzeuge - ohne Rücksicht darauf, wie viele Abgase das Auto ausstoße, ob die Fahrt unbedingt notwendig sei und ob ein Fahrverbot schon fast einer Enteignung gleichkäme, weil der Autobesitzer innerhalb der Umweltzone wohne. Entsprechende Ideen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bezeichnete der SPD-Politiker als "völlig realitätsfern".

Wenig Freunde hat auch ein weiterer Vorschlag von Ministerin Hendricks: Damit weniger Autos fahren, sind je nach Tag nur gerade oder ungerade Kennzeichen zugelassen. Das sei "extrem ungerecht", findet Mittermaier. Auch Pretzl kann keinen Sinn darin erkennen, die Zufahrtsberechtigung einer Art Zufallssystem zu überlassen - "ganz egal, ob es sich um ein Elektroauto oder einen spritfressenden Panzer handelt". Dann gebe es keinerlei Anreize, ein spritsparendes Auto zu kaufen. Grünen-Politikerin Krieger fürchtet gar negative Folgen. Es sei gut denkbar, dass sich dann manche ein zweites Auto zulegten. Oder dass nur wegen ihre Kennzeichens uralte Fahrzeuge zum Einsatz kommen, die sonst gar nicht mehr bewegt würden.

Ob München die Grenzwerte überhaupt einhalten kann, ist offen. Laut Mittermaier müsste dafür der Verkehr auf dem Mittleren Ring um 80 Prozent reduziert werden.

© SZ vom 21.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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