Luftreinhalteplan:"Frech" bis "unverschämt"

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Weniger Autoverkehr wäre die Lösung, ist aber schwer umzusetzen. (Foto: Robert Haas)

Der Stadtrat streitet über saubere Luft - mit harten Bandagen

Von Heiner Effern

Grüne und ÖDP mögen sich nicht besonders, obwohl oder gerade weil sie eine politische Leidenschaft teilen: den Umweltschutz. Wie weit die beiden auseinander liegen, zeigten ihre Reaktionen im Stadtrat auf den Beschluss der Rathausmehrheit, das Bürgerbegehren für saubere Luft zu übernehmen und so mit einem Handstreich zu beenden. ÖDP-Stadträtin Sonja Haider rief "Hurra" ins Mikrofon: "Wir sind geplättet." Grünen-Fraktionschef Florian Roth nutzte die Volte von CSU und SPD dagegen für eine General-Abrechnung. Der Beschluss sei ein "gesundheits- und umweltpolitischer Offenbarungseid". Die Bemühungen der Stadtregierung für saubere Luft präge "fingierte Machtlosigkeit und organisierte Ideenlosigkeit".

Die Emotionen in der Vollversammlung schlugen also hoch, wenn auch in unterschiedliche Richtungen. Gesorgt hatten dafür die Fraktionen von CSU und SPD schon am Montagnachmittag mit der Einigung, die Forderungen des Bündnisses "Sauba sog i" in ihren Luftreinhalteplan einzubauen. Damit ist das Bürgerbegehren sofort beendet. Das Problem für die Organisatoren ist nur: Ihre Frage ist so allgemein formuliert, dass CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl in der Vollversammlung sagte: "Wir brauchen deswegen in der Stadtpolitik nichts ändern."

Grünen-Fraktionschef Roth fürchtet, dass es genau so kommen wird. CSU und SPD haben sich zwar nun verpflichtet, dass bis 2025 nur noch jede fünfte Fahrt in der Stadt mit einem Verbrennungsmotor absolviert wird. Derzeit sind es gut 35 Prozent. Doch schon heute beteuert das Rathausbündnis, dass das nur zu schaffen sei, wenn der Bund mit neuen Gesetzen die Basis dafür schaffe. Roth nennt diese rechtlichen Einwände "die systematische Rechtfertigung für Unwillen zum Handeln". Wo immer das Rathausbündnis eine Rechtsmeinung finde, hinter der sie sich verstecken könne, tauche sie ab. Deshalb bringe sie nichts zustande außer "Mini-Maßnahmen", die mehr Elektro-Mobilität im städtischen Fuhrpark und im öffentlichen Nahverkehr vorsehen.

Diese Breitseite weckte auch bei Umweltreferentin Stephanie Jacobs gehörig Emotionen. Doch konnte sie diese vor dem Stadtrat nicht ausleben. Sie deutete zwar nach eigener Aussage von ihrem Platz auf der Regierungsbank ganz außen den dringenden Wunsch an, doch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) beendete die Debatte. Jacobs hielt umgehend eine improvisierte Pressekonferenz im Weißwurstzimmer des Stadtrats ab. "Willkommen im Zeitalter des Postfaktischen" begrüßte sie ihre Gäste. Und legte sofort los: Was Grünen-Fraktionschef Roth geboten habe, bewege sich zwischen "frech" und "unverschämt", wahlweise sei es auch "grotesk". Die Ziele des Bürgerbegehrens muss sie nun zwar in ihren Luftreinhalteplan aufnehmen, doch diese seien "irrelevant". Dessen Zahlen zum Verkehr stammten aus einer Haushaltsbefragung aus dem Jahr 2008. Die Wirtschaft sei gar nicht einbezogen gewesen. Auf dieser Basis ein Bürgerbegehren zu entwickeln, hält die Umweltreferentin für Unsinn. Sie habe Besseres vor: "Ich muss die Luft sauber bekommen, und zwar schnell."

Überhaupt verstehe sie nicht, warum die Grünen plötzlich so loslegten, sagte Jacobs. "Das Problem ist seit 2002 bekannt. Mein Vorgänger als Umweltreferent war ein Grüner." Da schwang mit: Auch unter Rot-Grün, immerhin bis 2014 an der Regierung, sei viele Jahre nichts passiert, weil eben die Möglichkeiten der Stadt sehr begrenzt seien. Jacobs hält nur eine neue, blaue Umweltplakette für ein probates Mittel, doch die müsste der Bund erst ermöglichen. Alle anderen Ideen könnten "ein Baustein sein, aber nie der Schlüssel". Warum, erklärte sie anhand eines Zahlenspiels: Um das geltende Recht beim Ausstoß von Stickstoffdioxiden einzuhalten, müsste sie momentan 91 Prozent des Dieselverkehrs vom Mittleren Ring nehmen. Solche Effekte seien mit den Mitteln der Stadt nicht zu erreichen, sagte Jacobs.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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