Lieblingsplätze:Zauberhaft

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Und plötzlich steht die Welt still: Elisabeth Schuen, Marlene Schuen und Maria Molling (von links) vor dem Café Kosmos. (Foto: Catherina Hess)

Die Sängerinnen von "Ganes" treffen sich immer im Café Kosmos

Von Michael Bremmer, München

Auf einmal bleibt die Welt stehen. Nur für einen Augenblick. Aber es ist erstaunlich genug, zumal es in kurzer Entfernung zum Hauptbahnhof passiert. Hektische Pendler, hupende Autos - und ein paar Meter weiter stehen im Eingangsbereich vom Café Kosmos drei junge Frauen. Maria Molling fährt sich mit der rechten Hand durch ihre schwarzen Korkenzieherlocken, Elisabeth Schuen zupft ihr graues Jäckchen zurecht und ihre Schwester Marlene zieht sich ihren roten Lippenstift nach. An sich nicht außergewöhnlich in einer Großstadt. Aber der Taxifahrer, der vor dem Café an Ampel steht, vergisst loszufahren. Auch der junge Mann auf dem Fahrrad macht keine Anstalten, hier wegzukommen und starrt und lächelt und starrt - erst dann tritt er in die Pedale.

Die Welt bleibt einen Moment lang stehen - das passt zu den drei Musikerinnen von Ganes. Das ist ein ladinisches Wort und bedeutet so etwas wie Wassernixen. Die drei Frauen stammen aus La Val in Südtirol, einem Dorf hoch über Bruneck im Gadertal. Auf der Bühne wirken sie wie Feen, die ihre Zuhörer mit Geräuschen verzaubern, mit ihrer atmosphärischen Musik, in der sie Gitarre, Geige, Pauke und Hackbrett mit elektronischen Klängen zusammenbringen. Schön traurig hören sich die Lieder in der wunderbar klingenden Sprache Ladinisch an. Verwunschene Popmusik, weswegen man irgendwie einen anderen Lieblingsort vor Augen hat. Den Dichtergarten vielleicht. Oder die Magdalenen-klause im Nymphenburgerpark.

Aber nein, das Café Kosmos muss es sein. Das hat mit Pragmatismus zu tun. Und mit einer Tanne aus der Heimat - doch dazu später. 70 bis 100 Konzerte spielen die drei Sängerinnen von Ganes im Jahr, hinzu kommen Proben, Gespräche mit der Münchner Plattenfirma "Blanko Musik", mit dem Management. Schon das alles ist schwierig, auf die Reihe zu bringen. Vor 15 Jahren ist Marlene Schuen für ihr Musikstudium nach München gezogen, hat die ersten Wochen bei einer Bekannten auf dem Boden geschlafen, weil sie es sich bis dahin nicht vorstellen konnte, "wie schwierig Wohnungssuche sein kann". 2002 spielte sie erstmals Geige in der Band von Hubert von Goisern. Und als dieser dann 2007 eine Donau-Tour auf einem Konzertschiff organisierte, nahm Marlene ihre Schwester und ihre Cousine als Background-Sängerinnen mit an Bord. Hier begann die Karriere von Ganes.

München wurde die Heimat der Band, nahezu auf allen Bühnen haben sie hier gespielt: Lustspielhaus, Circus Krone, Prinzregententheater - für jede Sängerin war ein anderes Konzert herausragend. Viele lange Nächte haben die drei Frauen in der spannenden Anfangsphase "bei Wein und Bier" verbracht und Pläne geschmiedet - wobei sie sicher nicht gedacht haben, dass die Karriere so rasant Geschwindigkeit aufnehmen würde. Vier Platten sind seit 2010 erschienen. Und im kommenden Jahr will die Band die fünfte herausbringen, im Mittelpunkt stehen dabei Sagen der Heimat, "mehr Fantasy", sagt Elisabeth Schuen. Maria Molling hat zudem mit Me + Marie eine Solokarriere gestartet, die erste Platte erscheint noch in diesem Jahr.

Richtig kompliziert ist die Planung mittlerweile geworden, weil nur noch Maria Molling in München lebt. Elisabeth Schuen ist zurück nach Südtirol gezogen, ihre Schwester Marlene nach Berlin. Und bis alle mit der Bahn eingetroffen sind, wird die Zeit im Café Kosmos überbrückt, einer der wenigen Münchner Orte, die es so auch in der Hauptstadt geben könnte - und in der die Menschen manchmal so normal erscheinen wie im Gadertal.

Und wo sonst könnte sich folgende Geschichte abspielen: Maria Molling bekam Besuch von einer Jugendfreundin. Ob sie was aus der Heimat mitbringen solle? Irgendwas Kulinarisches? Irgendwas zu Weihnachten? Einen Weihnachtsbaum? Na klar. Molling dachte an einen Scherz - und Tage später stand ihre Freundin im vollbesetzten Café Kosmos vor ihr, im Obergeschoss. Mit einer Tanne in der Hand.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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