Lieblingsplätze:Sattelfest

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Arthur Klemt an seinem Lieblingsplatz, auf dem Sattel. (Foto: Robert Haas)

Am liebsten auf dem Rad: Schauspieler Arthur Klemt

Von Josef Grübl, München

Vor der Oper und dem Resi staut sich der Verkehr, aber Arthur Klemt tritt kräftig in die Pedale. Immer und immer wieder, bis der Fotograf zufrieden ist. Der Schauspieler kommt von einer Theaterprobe und schlängelt sich mit seinem Fahrrad an arabischen Touristenströmen und Doppeldecker-Bussen vorbei. Der Max-Joseph-Platz ist seine berufliche Heimat. Im Jahr 2011 wurde er Ensemblemitglied am Residenztheater, seitdem spielte er in dutzenden Stücken, unter anderem in "Phosphoros", "Der Geldkomplex" oder "Eine Familie". Auf der Website des Theaters sieht man ihn auf einem Foto mit brennenden Fäusten; wenn es Rollen mit vollem Körpereinsatz zu besetzen gibt, ist er gefragt.

"Am wohlsten fühle ich mich auf meinem Fahrrad", sagt er. Der Österreicher lebt seit 1998 hier, ihm gefällt die Stadt. Daher ist er auch überall und nirgends, sein 32 Jahre altes Retrobike bringt ihn dort hin, wo es ihm gefällt. Wobei es oft auch etwas schneller gehen muss: "Einmal habe ich die Strecke von daheim ins Theater in zwölf Minuten geschafft", erzählt er stolz. Dazu sollte man wissen, dass Arthur Klemt nicht im Zentrum wohnt, sondern in Nymphenburg. Gemeinsam mit seinem neunzehnjährigen Sohn, in einer WG.

Warum aber die Eile? "Das war eine Probe mit Martin Kušej, den konnte ich doch nicht warten lassen." Dem Intendanten hat er viel zu verdanken; Kušej war es auch, der ihn ans Resi holte. Die beiden kennen sich seit fünfundzwanzig Jahren, sie sind gebürtige Kärntner. Das verbindet. Im Laufe seiner Karriere stand Klemt schon in Städten wie Wien, Stuttgart oder Coburg auf der Bühne. Zwischendurch arbeitet er aber auch fürs Fernsehen, häufig in Neben- oder Gastrollen. Er spielte in Krimiserien wie "Der Alte" oder "Polizeiruf" mit, auch in seichten Herzschmerz-Movies sieht man den Mann oft.

Arthur Klemt ist seit einigen Jahren geschieden und hat drei Kinder. "Ich musste daher immer Geld verdienen", sagt er lachend. Sein Fahrrad hat er mittlerweile vor einem Café in der Residenzstraße abgestellt, drinnen begrüßt er einen Kollegen vom Theater. Noch schnell eine Saftschorle, dann erzählt er aus seinem Leben. Von einem Flugzeugabsturz in den Alpen, den er als Jugendlicher nur knapp überlebt hat, und von einem havarierten Schiff im südamerikanischen Dschungel.Er hat Narben davongetragen, die sichtbarste verläuft in einer feinen Linie durch sein Gesicht. Voller Einsatz bedeutet eben auch volles Risiko.

Das Publikum hat er schon immer gesucht, anfangs bei einer italienischen Körpertheatergruppe. Er ging auf Tour und spielte auf der Straße, schaffte vier Flickflacks hintereinander. Eine klassische Schauspielschule hat er nie besucht, kurz vorm Vorsprechen im Max-Reinhardt-Seminar in Wien bekam er kalte Füße. Erleichtert wurde ihm der Berufseinstieg dadurch nicht, sagt er und erzählt von den Komplexen, die ihn lange Zeit begleiteten.

Im Laufe der Jahre fragten die Leute vom Theater und vom Film aber nicht mehr so oft nach seiner Ausbildung, sondern mehr nach seiner Erfahrung. Arthur Klemt hat sich hochgearbeitet, vor einigen Monaten ergatterte er sogar eine Rolle in einem großen Kinofilm. In Hans Steinbichlers "Das Tagebuch der Anne Frank" spielt er den Zahnarzt Fritz Pfeffer. Dieser musste sich im Versteck mit Anne Frank ein Zimmer teilen, sie nannte ihn etwas despektierlich "Albert Dussel".

Allzu viel verraten darf er über den Film noch nicht, außer dass ihm seine körperbetonte Spielweise bei dieser Rolle entgegen kam. Kinostart ist Anfang nächsten Jahres, bis dahin kann man ihn regelmäßig am Resi sehen - unter anderem im Eröffnungsstück der kommenden Saison.

Als es wieder raus auf die Straße geht, hängt der Himmel voller Wolken. "Und ich habe keine Schutzbleche dabei", seufzt er. Dann schwingt er sich aufs Rad und tritt kräftig in die Pedale, voller Einsatz.

© SZ vom 23.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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