Lichterkette:Solidarität und Versöhnung

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Rund 3000 Zornedinger demonstrieren für ihren zurückgetretenen Pfarrer

Von Wieland Bögel, Karin Kampwerth, Christian Krügel, Zorneding

"Wir lassen uns das nicht gefallen, heute senden wir ein deutliches Signal in die ganze Welt" - was Bianka Poschenrieder (SPD), Zweite Bürgermeisterin von Zorneding, als Ziel ausgegeben hatte, gelang eindrucksvoll: Rund 3000 Menschen, darunter viele Politiker aus der ganzen Region und Landtagsabgeordnete, demonstrierten am Mittwochabend im Zornedinger Rathauspark gegen Fremdenhass und zeigten so ihre Solidarität mit Olivier Ndjimbi-Tshiende, dem zurückgetretenen Pfarrer der Gemeinde. Der dunkelhäutige Seelsorger hatte wegen massiver rassistischer Beleidigungen und Morddrohungen gegen ihn um seine Versetzung aus Zorneding gebeten. Der Fall hatte bundesweit Empörung ausgelöst und die Gemeinde im Landkreis Ebersberg in ein extrem schlechtes Licht gerückt.

Entsprechend klar waren die Botschaften in den Reden der Vertreter aus Politik, Kirchen und Kultur. Man dürfe diese "verwirrten und bösartigen Schmierfinken" nicht gewähren lassen, sagte etwa Gottfried Holzmann vom Pfarrgemeinderat. Er bedauerte zugleich, dass man in Olivier Ndjimbi-Tshiende einen "Seelsorger im Einsatz für die Menschen" verliere. Bianka Poschenrieder verlas einen Brief, den Jugendliche aus Oświęcim geschrieben hatten, die dort derzeit in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau arbeiten. Sie hatten sich besonders darüber empört, dass der Pfarrer eine Postkarte mit der Aufschrift "Ab nach Auschwitz" erhalten hatte. Für die Jugendlichen ist dieser Satz "so giftig, so entsetzlich, so schäbig, so ekelhaft von gestern". Weiter heißt es in dem Brief: "Man kann so einen Drecks-Satz heute nicht mehr sagen, ohne dass einem laut und deutlich von vielen, vielen Menschen widersprochen wird."

Das tat auch Zornedings Bürgermeister Piet Mayr (CSU): Für "Hetze und Rechtsradikalismus" gebe es weder in Zorneding noch sonstwo im Landkreis Platz. Er nahm aber seine Gemeinde auch gegen Kritik in Schutz: Zorneding sei "nicht die braune Gemeinde, als die sie dargestellt wird". Mayr verlas als Beleg dafür eine von allen Gemeinderäten verfasste Erklärung gegen Radikalismus und Fremdenfeindlichkeit. So ganz aus der Verantwortung entlassen könne man die Gemeinderäte indes nicht, befand Moritz Dietz, der für die Grünen im Gremium sitzt. Er kritisierte, dass "Äußerungen von politischen Vertretern" ursächlich für die Vorfälle waren, die nun zum Rücktritt des Pfarrers geführt haben.

Dietz bezieht sich dabei auf die frühere CSU-Ortsvorsitzende Sylvia Boher, die immer noch im Gemeinderat sitzt. Diese war im vergangenen Herbst im CSU-Mitteilungsblatt gegen Flüchtlinge, Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck hergezogen. Ihr mittlerweile von allen Ämtern zurückgetretener Vize Johann Haindl hatte Olivier Ndjimbi-Tshiende öffentlich als "Neger" beschimpft.

Mit Haindl hatte sich Olivier Ndjimbi-Tshiende später ausgesprochen, dessen Entschuldigung akzeptierte er. Ungeklärt war aber der Konflikt mit Boher, die ihre Äußerungen zwar als "Fehler" bezeichnete, aber nie öffentlich bedauerte.

Versöhnliche Worte in ihre Richtung kamen am Mittwoch vor der Kundgebung aber vom betroffenen Pfarrer selbst: In einer Pressemitteilung des Erzbischöflichen Ordinariats erklärte Olivier Ndjimbi-Tshiende, dass er ohne Zorn oder Verbitterung auf seine Jahre in der Pfarrei zurückblicke. "Insbesondere ist ihm wichtig zu betonen, dass er sich mit der ehemaligen CSU-Ortsvorsitzenden Sylvia Boher ausgesprochen und versöhnt habe", heißt es in der Erklärung weiter. Offenbar gab es aber schon vor ein paar Wochen ein Gespräch mit der CSU-Parteifunktionärin, das der Priester jetzt öffentlich machte - wohl auch, um in die Debatte keinen falschen Zungenschlag hinein zu bringen.

In Zorneding und in sozialen Netzwerken hatten viele die örtliche CSU direkt für die rassistischen Drohungen gegen den Pfarrer verantwortlich gemacht. Solche Vorwürfe hatten aber weder Olivier Ndjimbi-Tshiende noch das Ordinariat je geäußert. Gleichzeitig verwahrt sich die Kirche entschieden gegen Gerüchte, die derzeit in Zorneding kursieren. Demnach sollen die Morddrohungen nicht der Auslöser für den Rückzug gewesen seien, der Pfarrer habe schon länger über einen Wechsel nachgedacht. Ordinariatssprecher Bernhard Kellner sagte der SZ: "Fakt ist, dass Olivier Ndjimbi-Tshiende auf übelste Weise beschimpft, bedroht und diffamiert wurde." Das sei der Auslöser für das Versetzungsgesuch gewesen, nichts anderes. "Wer andere Dinge in die Welt setzt, versucht, diese rassistischen Bedrohungen zu relativieren", so Kellner.

Pfarrer Ndjimbi-Tshiende ist mit sofortiger Wirkung von seinem Dienst beurlaubt worden, welche Aufgabe er künftig übernehmen werde, sei noch unklar, heißt es aus dem Ordinariat. Nach Zorneding zurückkehren werde der Priester nicht. Eine seit Montag laufende Online-Petition unter dem Motto "Unser Pfarrer soll in Zorneding bleiben" wird deshalb wohl auch erfolglos bleiben, obwohl sie bis Mittwochabend mehr als 67 000 Unterstützer gefunden hatte.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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