Szene-Gastronom David Blake Walker:Tradition statt Techno

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Früher gehörte David Blake Walker Münchens wohl bester Club, nun ist er Biergartenwirt auf der Theresienhöhe.

Franz Kotteder

Die Vorstellung, ein Amerikaner könnte Wiesnwirt werden, klingt natürlich erst einmal absurd. Andererseits hat München bereits einen Amerikaner, der fast so etwas wie ein Wiesnwirt ist.

Ein urbayerischer Wirt, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht sofort bemerkt: David Blake Walker war früher Chef des Electro- und Technoclubs Registratur, nun kümmert er sich um die Gäste seines Biergartens. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Nämlich Wirt eines sehr bayerischen Biergartens in unmittelbarer Nähe der Wiesn, gleich oberhalb der Bavaria. David Blake Walker betreibt seit Anfang Mai den Augustiner-Biergarten nebst Wirtshaus auf dem ehemaligen Messegelände. Das ist an und für sich schon ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist aber, dass sich Walker nicht etwa als Tellerwäscher einer bayerischen Traditionswirtschaft nach oben gearbeitet hat, was ja der normale amerikanische Karriereweg wäre, sondern dass er aus einer ganz anderen Ecke der Gastronomie kommt: Er betrieb bis September 2009 den Electro- und Technoclub Registratur in der Blumenstraße 28.

Über sechs Jahre hinweg ist der gewissermaßen Kult im Münchner Nachtleben gewesen. Registratur hieß der Club deshalb, weil er in der früheren Registratur der Münchner Stadtwerke untergebracht war, einem ausgesprochen hübschen, holzverkleideten Fünfziger-Jahre-Juwel mit Galerie im früheren Verwaltungsgebäude der Stadtwerke. Das war bis zur anstehenden Großsanierung zwecks Weiterverkauf der Immobilie an allerlei Künstler, Musiker und eben auch Clubbetreiber untervermietet worden.

Nach dem Aus im vergangenen September war Walker eigentlich auf der Suche gewesen nach einer neuen "Regi" - einem Raum, der ebensolchen Charme wie der alte Club hat. So richtig fündig geworden ist er bislang noch nicht, obwohl er schon drei Objekte in der engeren Wahl hatte. Die Suche geht weiter, sagt er, aber leider sind ihm erst einmal zwei andere Sachen in die Quere gekommen.

Angefangen hatte es ja eigentlich mit der Alten Kongresshalle auf dem ehemaligen Messegelände, wiederum einem wunderschönen Fünfziger-Jahre-Bau. Walker stieß auf die Halle, weil er im vergangenen Sommer für das Berliner Label B-Pitch der DJane Ellen Alien einen Auftrittsort suchte.

Über die Augustiner-Brauerei kam er auf die Kongresshalle, denn die Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, der Augustiner gehört, hatte die Halle von der Münchner Messegesellschaft erworben. Walker war gleich hin und weg von der Halle, "leider ist sie aber zu groß für einen Club". So veranstalteten die "Registratur"-Leute also ein dreitägiges Festival und dachten, das wäre es dann.

Die Stiftung aber hatte mitgekriegt, wie begeistert Walker von der Halle und der angrenzenden Wirtschaft nebst Biergarten gewesen war. Und als der Pachtvertrag des alten Wirts auslief, bot man ihm das Wirtshaus und die danebenliegende kleine Bar zur Pacht an - und weil man gerade dabei war, gleich auch noch das Wirtshaus "Zur Schwalbe" in der Schwanthalerstraße. Auf die kleine Wirtschaft mit Kegelbahn und Biergarten hatte Walker schon länger ein Auge geworfen. "Ich wohne da ums Eck, seit 1998, und ich habe mir immer schon gewünscht, die ,Schwalbe' zu übernehmen. Als jetzt im April das Angebot kam, konnte ich natürlich gar nicht ablehnen."

So wurde aus dem Szene-Gastronom David Walker also auf einen Schlag so eine Art urbayerischer Wirt mit gleich mehreren Wirtshäusern. Dabei entspricht er natürlich überhaupt nicht der Klischeevorstellung von einem Wirt, groß und schlaksig, wie er ist. Aber er geht die Sache mit viel Engagement an, baut auch nachts um halb elf noch die Leinwand und den Beamer für das "Public Viewing" auf, was ja bekanntlich jeder gestandene Biergarten in diesen Tagen braucht.

Als erste Maßnahme verbannte der begeisterte Hobbykoch sämtliche Fertigprodukte aus der Küche. "Die von Nestlé waren nicht sehr glücklich", sagt er, "die kamen gleich am selben Tag noch vorbei." Die Lebensmittel sollen von Bauern aus der Umgebung kommen, "bei uns soll saisonal und regional gekocht werden". Bis alles so läuft, wie er es sich vorstellt, wird es zwar noch etwas dauern, aber es werde sich schon einspielen, meint er. Im Vergleich zum Clubleben, das an den Wochenenden ja immer bis in die Morgenstunden dauerte, lebe er nun sowieso gesünder. "Ich esse jetzt auch regelmäßig, schließlich muss ich hier ja immer alles probieren", sagt er und grinst.

Dafür kommt er nicht mehr sehr viel herum, die letzten Wochen, außer eben in der Schwanthalerhöhe. Aber herumgekommen ist er ja früher schon viel. 1965 geboren in der kleinen Stadt Aberdeen in South Dakota, studierte er in der noch kleineren Stadt Brookings (16000 Einwohner) Architektur, um dann gleich nach dem Uni-Abschluss "alle Sachen auf den Pickup-Lastwagen zu laden und nach New York zu fahren". Dort räumten ihm Diebe erst einmal das Auto aus: "Nur mein Schlagzeug haben sie darin gelassen, das war wohl zu schwer."

Walker blieb aber im "Big Apple", jobbte einige Zeit herum und bewarb sich schließlich auf eine Anzeige im Stadtmagazin Village Voice hin bei einem Architekturbüro als "Office Manager": Es handelte sich um den Stararchitekten Richard Meier, wie sich dann am Telefon herausstellte. Walker wurde gleich genommen, und 1993 kam er zum ersten Mal nach München, weil Meier hier am Oskar-von-Miller-Ring das Siemensforum baute: "Es war ausgerechnet am letzten Tag des alten Riemer Flughafens, als ich ankam."

David Walker sollte dann trotz einiger Jobs, unter anderem am Potsdamer Platz in Berlin, nicht mehr so richtig wegkommen von München, obwohl er ursprünglich nur mit einem Jahr Aufenthalt gerechnet hatte. München, diese "leicht provinzielle Metropole", war für ihn anscheinend der ideale Kompromiss zwischen der ländlichen Einsamkeit von South Dakota mit dem endlos weiten Horizont und dem umtriebigen Großstadtleben New Yorks.

Irgendwann aber hatte er genug von dem aufreibenden Job im Architekturbüro - und als ihm ein Bekannter auf einer Party anbot, mit ihm zusammen einen Club zu eröffnen, überlegte er nicht lange. "Wenn sich vor mir eine Tür öffnet", sagt er, "gehe ich meistens gleich durch, anstatt lange zu zögern." Und so folgten sechs recht anstrengende, aber auch erfüllende Jahre in der "Regi".

Die Zusammenarbeit mit den Künstlern habe ihm besonders viel Spaß gemacht, die Konzerte, die Lesungen, die ganze kreative Atmosphäre in der Blumenstraße.

Ein bisschen was davon möchte er auch in seinen "Kongress Garten" auf die Theresienhöhe holen. Konzerte soll es dort geben, erst einmal zum Frühschoppen im Biergarten am 10. Juli mit G.Rag und den Landlergschwistern, später dann aber auch öfters mal Jazz und Lesungen im Wirtshaussaal. Ein Ersatz für einen Club aber ist das nicht. Im Herbst, so schätzt er, könnte die Suche nach einer neuen Registratur abgeschlossen sein, mehr verrät er noch nicht.

Soweit zu dem, was geplant ist, und irgendwann will er ja auch mal wieder zurück in die Staaten, wo er sich zu Hause fühlt. Doch bis dahin werden ihm wohl noch viele offene Türen begegnen, durch die er gehen kann, ohne groß nachzudenken. Und wer weiß, wo das dann wieder hinführt?

© SZ vom 16.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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