Lesung im Volkstheater:Heller leben

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Seine Währung ist die eigene Unterhaltsamkeit: Der Künstler André Heller stellt im Volkstheater seine Biografie vor. Das Publikum lässt sich mitreißen und quittiert jede Anekdote mit Applaus - auch die von der Zeugung bei einem Erdbeben.

Eva-Elisabeth Fischer

Buchvorstellung im rammelvollen Foyer des Volkstheaters: "Der Poet der vielen Disziplinen", so kündigt Christian Seiler, ehemals Chefredakteur des österreichischen Nachrichtenmagazins Profil und nun Biograf, den Gegenstand seiner mehr als einhundertstündigen Befragungen während vier Jahren an. Der Universalkünstler André Heller kontert damit, was seine Poetik nicht sei: "Gusti und Pusti machen Lusti". Das freut die Leut', wenn der Pointensprüher funktioniert wie je.

André Heller begeistert das Münchner Publikum bei der Vorstellung seiner Biografie im Volkstheater. (Foto: Robert Haas)

Im Hintergrund scheint die Endlosschleife der immer gleichen Fotos aus dem Heller-Leben die apodiktische Endgültigkeit seiner Lebensbeichte zu zementieren: "André Heller Feuerkopf. Die Biografie". Und dass dieser gut 440 Seiten starke Wälzer ausgerechnet zu seinem 65., dem Beamtenpensionierungsjahr, herauskommt, kann man nur als ironisches Aperçu begreifen.

"Seine Währung ist die eigene Unterhaltsamkeit": Seilers Erklärung, warum Heller immer wieder die größten lebenden Künstler für seine Projekte entflammen konnte, ist einer der wenigen eigenständigen Kommentare des Abends. Denn Heller überpischt - um im Jargon zu bleiben - auch an diesem Abend rhetorisch sowohl den Seiler als auch den Moderator Thorsten Otto, der als Rundfunkmensch bestimmt nicht auf den Mund gefallen ist. Sie dienen dem Alleinunterhalter als sympathische Requisiteure für sein Heller-Theater.

Was er macht, das macht er ganz. Ging in sich und schaute nach, was war: "Entweder man halt' die Pappn oder man sagt die Wahrheit. Wiederholungen gibt es nicht, weder im Leben, noch in der Kunst. Eine allerdings schon, und die erklärt er als eine Art Selbsttherapie: Die Wiederholung seines Lissaboner Feuertheaters in Berlin. Denn, was sich in dieser mit nahezu einer Million Zuschauern hoffnungslos überbuchten Massenveranstaltung unkontrollierbar verselbstständigte, hätte bei einer Panik leicht in einem tödlichen Desaster enden können.

Die Zuhörer im Volkstheater halten den Atem an, lassen sich mitreißen von der ungebremsten Suada Hellers, quittieren jede Anekdote mit Gelächter. Im erzählerischen Überschwang reichen die Stationen von der Zeugung bei einem Erdbeben ("Ich glaub', dass das die einzige Art war, wie mein Vater einen Orgasmus bekommen konnte") bis zum einzigen Unterfangen, das ihm "Augenblicke des Glücks" bescherte: "Luna Luna", sein "Jahrmarkt der zeitgenössischen Kunst" in Hamburg 1987. Da war er 40. Weiter kam man an diesem Abend nicht. Die Biografie schreibt sich weiter.

© SZ vom 23.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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