Lange Nacht der Konsulate:Begehrte Adresse

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Die meisten konsularischen Vertretungen in München sind auch Visitenkarten in Villenform. Während sich die einen sehr staatsmännisch geben, ist bei den anderen eine gewisse Lässigkeit zu spüren

Von Thomas Anlauf

München fühlt sich ja gern als Hauptstadt, zumindest als Radlhauptstadt, als Kulturhauptstadt sowieso und überhaupt als heimlicher Nabel der Welt. Die bayerische Staatskanzlei erinnert ohnehin an den Präsidentenpalast von Astana in Kasachstan. Die "Weltstadt mit Herz" unterhält Partnerschaften in der halben Welt - Bordeaux, Cincinnati, Edinburgh, Harare, Kiew, Sapporo, Verona und dazu noch eine Projektpartnerschaft mit dem Volk der Asháninka in Peru. Kein Wunder, dass die andere halbe Welt sich nicht nur gern in Gestalt von Touristen in München aufhält, sondern ganz offiziell mit Landesvertretungen. 101 Nationen haben in der Stadt Repräsentanzen, davon sind 37 Generalkonsulate, elf Honorargeneralkonsulate, 49 Honorarkonsulate und vier Konsulate. Im Prinz-Carl-Palais begrüßte kürzlich Staatsministerin Beate Merk die neu berufenen Berufskonsuln mit den Worten: "Mit 115 konsularischen Vertretungen sind wir hier in Bayern der bedeutendste Konsularstandort in Deutschland." Bescheidenheit klingt anders.

Internationalität am Fahnenmast: Welches Land etwas auf sich hält, das hat auch eine Vertretung in der bayerischen Landeshauptstadt. (Foto: imago)

Dass in München sich so viele ausländische Vertretungen angesiedelt haben, hat natürlich zum einen mit dem selbstbewussten Auftritt Bayerns auf dem internationalen Parkett zu tun. Auf der anderen Seite ist auch der Wirtschaftsstandort München mit zahlreichen Weltmarktfirmen für viele Staaten interessant und wichtig. An der Isar werden bedeutende Kontakte für die Heimat geknüpft, die meisten Konsuln in München sind deshalb häufig auf gesellschaftlichen Anlässen anzutreffen. Andere laden auch gern zu bestimmten Veranstaltungen ein. Erst vor wenigen Tagen begrüßte der US-Generalkonsul Bill Moeller mehr als 1000 Gäste im Generalkonsulat an der Königinstraße - um den Independance Day am 4. Juli zu feiern und sich schon mal vorzeitig von den Münchnern zu verabschieden. Nach drei Jahren verlässt Moeller seinen Arbeitsplatz am Englischen Garten wieder in Richtung Washington. Es gebe keine bessere Stelle im Auswärtigen Dienst der USA, als Generalkonsul in München zu sein, sagt er. Nur logisch, dass eine seiner ersten Amtshandlungen im September 2012 war, sich eine Lederhose zu kaufen. "Mir san mia und mia war'n hier", rief er am vergangenen Donnerstag seinen Gästen im Garten seines Münchner Amtssitzes zu.

Die Konsulate sind auch Schauplatz für Demonstrationen und Protestaktionen wie hier das amerikanische Generalkonsulat an der Königinstraße. (Foto: Stephan Rumpf)

Dieser ist sicherlich der markanteste Gebäudekomplex einer Auslandsvertretung in München. Überwachungskameras an jeder Ecke, der Zugang führt durch enge Absperrungen, das Gelände ist mit einem riesigen dunklen Stahlzaun gesichert. An der Ecke zur Schönfeldstraße streift ein junger Polizist mit Maschinenpistole umher. Auch von außen muss das Generalkonsulat ständig überwacht werden. "Die mögen es nicht, wenn man hier zu lang rumsteht", sagt der Beamte und zeigt auf die Kameras. Sicherheit ist hier oberstes Gebot.

Auch andere Generalkonsulate igeln sich regelrecht ein. Die Auslandsvertretung Großbritanniens an der Bogenhauser Möhlstraße ist mit schweren Steinpollern zur Straße hin gesichert, auch der Zaun wirkt ziemlich massiv. Nach einer Minute vor der Tür kommt schon ein Sicherheitsmann und sagt höflich, aber bestimmt: "Das ist Sicherheitszone, Sie müssen bitte weiterfahren." Andere Konsulate an der Möhlstraße - sie bildet schon fast ein kleines Diplomatenviertel - scheinen es mit den Sicherheitsvorkehrungen nicht so genau zu nehmen. Beim Griechischen Generalkonsulat auf Hausnummer 22 steht die Toreinfahrt weit offen, im Hof stehen ein paar Männer und diskutieren, auf der Haupttreppe sitzt eine Frau und blickt vor sich hin. Das Gebäude wirkt beinahe wie ein Wohnhaus, der Garten ist eine bunte Blumenwiese. Bei den Italienern schräg gegenüber ist auch eine gewisse Lässigkeit zu spüren. Auch hier könnte die Wiese vor dem Gebäudekomplex einen neuen Schnitt vertragen. Durch ein hohes Portal geht es in den Hinterhof, wo ein graues Holztor etwas verwittert ist. Nur vorn bei der Russischen Föderation am Beginn der Möhlstraße - offizielle Adresse ist jedoch die Maria-Theresia-Straße - ist alles akkurat gepflegt: hoher schmiedeeiserner Zaun mit Doppeltor vor einem ockerfarbenen historischen Gebäudekomplex. Sechs gepflegte BMW mit Diplomatenkennzeichen parken in der Einfahrt, dazu zwei Audi und ein Kleinbus. Seit 2010 residiert hier die Vertretung der Russischen Föderation.

Die Repräsentanzen der Auslandsvertretungen sind eigentlich immer auch Statements, Visitenkarten in Villenform. Allein schon deshalb suchen sich die Staatsvertreter meist selbst oder über Makler ihre Immobilien in München aus. Die bayerische Staatsregierung zumindest hält sich weitgehend zurück, wenn ein Staat sich in Bayern ansiedeln will. "Sollte aber eine Sicherheitseinschätzung nötig sein, würde man das Innenministerium einschalten, das dann beraten kann", sagt Doris Schneider, Sprecherin der Staatskanzlei. Auch die Stadtverwaltung kann meist nur beraten oder Kontakte zu spezialisierten Immobilienbüros herstellen. Bei den Wünschen der Konsulate handle es sich meist um Immobilien "im hochwertigen Segment. Aber Villen haben wir leider keine", sagt ein Sprecher des Referats für Arbeit und Wirtschaft. "Wenn wir aber Anfragen bekommen, sind wir sehr gerne behilflich." Bei einer Auslandsvertretung wurde die Immobiliensuche dennoch zur Chefsache erklärt: Das Israelische Generalkonsulat wird in diesem Jahr die ehemalige staatliche Lottozentrale am Karolinenplatz beziehen. Eine Standortwahl mit großem Symbolcharakter. Das Gebäude liegt neben dem NS-Dokuzentrum und inmitten von Bauten der Nationalsozialisten.

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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