Verkehrslärm:Laut und leise nah beieinander

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Reiner Höcherl auf seinem Balkon an der Zwergerstraße. Er fühlt sich von den Gemeinderäten "in den Abgasen stehen" gelassen. (Foto: Angelika Bardehle)

Während einige Anwohner der Vivamus-Siedlung nach wie vor dringend auf eine Entlastungsstraße zwischen München und Neubiberg warten, lehnen andere Veränderungen ab

Von Daniela Bode, Neubiberg/München

Wumm, wumm, wumm. Es vergehen nur wenige Sekunden, bis sich das nächste Auto über den Asphalt Am Hachinger Bach, Unterbiberger-, Zwerger-, Universitäts- und Lilienthalstraße in Unterbiberg wälzt. In dem Neubiberger Ortsteil fahren täglich bis zu 7000 Autos in beide Richtungen, wie eine Verkehrszählung der Firma Ingevost 2014 ergab. Eine Belastung für viele, die sich an der Durchfahrtsstraße eine Immobilie kauften, als die Siedlung "Vivamus" gebaut wurde. Viele taten das im Glauben daran, dass diese zur Anliegerstraße werden und die Südanbindung Perlach (SAP), eine Verbindung zwischen Unterhachinger Straße und Carl-Wery-Straße zur Entlastung, gebaut werde.

Diese Verbindung ist als Verkehrskonzept im Bebauungsplan für das Wohngebiet vorgesehen. Die Stadt München hatte da noch ein Interesse an der Straße, da sich die Löwenbrauerei ansiedeln wollte. Doch dieser Plan platzte. Bei der Rahmenplanung Unterbiberg tüftelte die Gemeinde Neubiberg zwar mit der Bundeswehruniversität, Verkehrsplanern und Grundstückseigentümern an Lösungen für die Verkehrssituation. Weiter kam sie nicht, auch von der SAP gibt es keine Spur. Jüngst beschloss der Gemeinderat, letztere nicht weiterzuverfolgen.

Reiner Höcherl ist einer der Leidtragenden. "Die Befürworter der Entscheidung lassen uns Unterbiberger nicht nur im Regen, sondern sprichwörtlich in den Abgasen stehen", ärgert er sich. Er spricht dabei für mindestens hundert Haushalte in Unterbiberg, mit denen er regelmäßig in Kontakt ist. Höcherl ist Wohnungseigentümerbeirat in seiner Wohnanlage. Er hat sich 2002 im Hallstattfeld 5 eine Wohnung gekauft. Seine Hauptaufenthaltsräume sowie der Balkon weisen zur Durchfahrtsstraße hin. "Sie sind quasi unbrauchbar", sagt er. Ohne das Vertrauen auf die SAP hätte er sich nach eigenen Worten wie viele andere dort keine Wohnung gekauft. Zumal sie wegen der Aussicht auf die Straße höhere Kaufpreise zahlen mussten, sagt er, während die Bewohner im Sonnenweg im Norden der Siedlung vom Bauträger einen günstigeren Kaufpreis bekommen hätten.

Ein paar hundert Meter weiter südöstlich, in der Zwergerstraße 21, wohnt seit 2013 Reinhold Himmel. Er sieht es genauso wie Höcherl. "Wir sind bitter enttäuscht nach der Gemeinderatssitzung", sagt er. Auch er hat einen guten Überblick über die Ansichten der betroffenen Unterbiberger, da er ebenfalls Mitglied im Wohnungseigentumsbeirat ist. "Ich höre jeden Tag von dem Thema, ob im Bus oder anderswo", sagt er. Von den meisten werde die SAP als Notwendigkeit gesehen. Auch Himmel klagt über den Verkehr. "Die Abgasbelästigung geht bis in die Nacht und bis Samstagnachmittag." Manche seien deshalb schon aus der Siedlung weggezogen. "Es gibt eine Person, die in der Zwergerstraße 13 im 2. Stock gewohnt hat - sie hat schon verkauft aus dem Grund", sagt Himmel.

Nur, wie die vergangenen Jahre zeigen, ist eine Lösung des Problems schwierig. Läuft man in der Siedlung Richtung Norden und gelangt zum Sonnenweg, ist es quasi hörbar, dass hier an der Grenze zur Stadt München verschiedene Interessen aufeinander prallen. Denn hier ist es ruhig, man hört nichts mehr von der Durchgangsstraße. Hier hat keiner ein Interesse an der SAP in der alten Form. "Wir sind alle gegen die SAP", sagt Gudrun Rothkirch, die 1998 im Sonnenweg ein Haus kaufte. Mit "alle" meint sie unter anderen die Bewohner des Sonnenwegs. Sie dementiert auch, dass sie die Häuser wegen der geplanten Straße günstiger bekommen hätten. "Wir im Sonnenweg waren die ersten im Wohngebiet "Vivamus". Daher haben wir einen kleinen Zuschuss bekommen", sagt sie.

Geht man ein Stück weiter in den Nordosten, befindet man sich auf Münchner Grund. Die SAP gilt hier zwar noch nicht als gestorben. Zumal die Stadt mit der Gemeinde Neubiberg angeblich in Verhandlungen über das ehemalige Sondergebiet Brauerei ist und in sofern wieder ein Interesse an einer gemeinsamen Verkehrslösung besteht. Eine Straße wie die SAP in der alten Form wollen die Bürger hier aber nicht. Eine Bewohnerin der Ludwig-Linsert-Straße etwa hält nichts davon, weil ihr die Route vor der Nase viel Verkehr bescheren würde. Sie favorisiert die "Münchner Lösung". Grünen-Stadtrat Herbert Danner sieht das ähnlich. Seine Fraktion stand der Verbindungsstraße immer ablehnend gegenüber. "Die SAP würde den südlichen Siedlungsbereich Neuperlach belasten, der jetzt eine gute Wohnlage ist", sagt er.

So verschieden die Interessen, so verschieden sind auch die Lösungsvorschläge. Sicher ist: Wegen der weiteren Bebauung in Unterbiberg und durch das Neubaugebiet "Perlacher Tor" wird der Verkehr zunehmen. Höcherl sieht es als einzige Chance, an der SAP festzuhalten, zur Not würden sich die Unterbiberger mit dem West-Abschnitt zufrieden geben, sagt er. Himmel kann sich als Alternative ein Durchfahrtsverbot für Zwerger-, Universitäts- und Lilienthalstraße vorstellen. "Es würde ein Drittel des Verkehrs heraushalten", sagt er. Denn wie die Verkehrszählung ebenfalls ergab, ist ein Drittel des Verkehrs Durchgangsverkehr, ein Drittel entsteht durch die Unterbiberger und ein weiteres Drittel durch die Bundeswehruniversität. Eine Idee, die die Neubiberger CSU zuletzt wieder vorbrachte, die Zufahrt zur Bundeswehruniversität zu verlegen, scheidet derweil aus. Denn die Uni-Leitung lehnt das weiterhin ab. "Alle Varianten sind für uns nicht akzeptabel", sagt Vizepräsident Matthias Heinitz. Sie würden alle mindestens zwei Millionen Euro kosten, es ginge ja nicht nur um die Hauptwache, es müssten alle Sicherheitsleitungen verlegt werden.

Wie die Lösung am Ende aussieht, wird sich zeigen. Bis dahin werden sich einige Unterbiberger noch mit Verkehrslärm vor ihrem Balkon abfinden müssen. Wumm, wumm, wumm.

© SZ vom 07.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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