Unterschleißheim:Umgekehrte Inklusion

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In der Edith-Stein-Schule werden auch nicht-behinderte Kinder unterrichtet - nur Geld vom Ministerium gibt es dafür nicht (Foto: Imago)

Die Unterschleißheimer Blindenschule nimmt seit 1988 sehende Schüler auf - jetzt auch offiziell

Von Alexandra Vettori, Unterschleißheim

Inklusion funktioniert auch in die entgegen gesetzte Richtung. Das beweist die Realschule im Unterschleißheimer Blinden- und Sehbehindertenzentrum eindrucksvoll. Seit 17 Jahren nimmt die Einrichtung immer wieder Kinder ohne Behinderung auf, seit Montag hat die Edith-Stein-Realschule das offizielle Zertifikat des Kultusministeriums und darf sich Inklusionsschule nennen. Ein Wermutstropfen aber fällt in das Glück von Realschulleiter Frank Kuroschinski: Geld bekommt er für Schüler ohne Behinderung nicht.

Das Kultusministerium hat sich die Inklusion auf die Fahnen geschrieben, also ein gemeinsames Schulleben von Kindern mit und ohne Behinderungen. Ein Projekt sind Inklusionsschulen, die ihren Schulalltag und ihren Unterricht auf die Bedürfnisse beider Gruppen ausrichten und dafür zusätzliche Lehrerstunden vom Ministerium erhalten. 127 solcher Schulen gibt es in Bayern, weitere sind auf dem Weg. Jetzt haben 16 bayerische Förderschulen den Spieß umgedreht und sich als Inklusionsschule beworben. Mit dabei sind die Realschule des Edith-Stein-Zentrums und die Ernst-Barlach-Schulen der Münchner Pfennigparade. "Es war ein harter Kampf", sagt Kuroschinski. 2012 hat er den ersten Antrag gestellt. Auf Begeisterung im Ministerium stieß er offenbar nicht: "Das war eigentlich nicht so vorgesehen, dass auch Förderschulen mitmachen."

Der Grund dafür könnte am Geld liegen: Förderschulen sind vergleichsweise teuer, der Aufwand an Personal ist groß, die Klassenstärke klein. An der Edith-Stein-Realschule sind 14 bis 15 Kinder in einer Klasse. Mehr als die acht bestehenden Realschulklassen dürfen nicht gebildet werden, auch wenn der Bedarf höher liegt. Auf dem Schreibtisch von Kuroschinski stapeln sich die Anträge für das neue Schuljahr, allein über zwei Dutzend potenzielle Fünftklässler sind dabei, die Hälfte ohne Behinderungen.

Eine fünfte Klasse wird angeboten, das Vorrecht haben Blinde und Sehbehinderte, nur vereinzelt bleiben Plätze für Schüler mit anderen Förderschwerpunkten, immerhin erstreckt sich das Einzugsgebiet auf Oberbayern. Das Problem: Für Schüler ohne Behinderung gibt es kein Geld vom Ministerium. "Ein kleiner Gewinn wäre schon, wenn wir die nicht behinderten Schüler als vollwertige Schüler für die Klassenbildung zählen könnten", sagt Kuroschinski. Auch das aber ist bis dato nicht vorgesehen. Trotzdem nimmt die Schule schon seit 1988 immer wieder nicht-sehbehinderte Kinder auf, mit großem Erfolg. "Wir sind eine kleine Schule mit viel Fachpersonal, das tut auch Kindern mit Lese-Rechtschreibschwäche, akuter Schulangst oder autistischer Veranlagung gut", weiß der Schulleiter.

Die Anforderungen für Förderzentren als Inklusionsschulen zielen auf die Öffnung nach außen ab. Ein Ansatz, der im Edith-Stein-Zentrum schon lange verfolgt wird. Heute gibt es nicht nur eine Kooperation mit der Fachoberschule in Unterschleißheim, wo man mit den Fachschaften zusammenarbeitet und Lehrkräfte weiterbildet. Aus dem Gymnasium kommen immer wieder Praktikanten und von der Technischen Universität München regelmäßig Examenskandidaten, die in Zusammenarbeit mit dem Blinden- und Sehbehindertenzentrum Arbeiten verfassen.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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