Unterschleißheim:Ratloser Beirat

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Das Internationale Fest in Unterschleißheim wird alle zwei Jahre vom Beirat zur Integration von Ausländern organisiert. (Foto: LKN)

Seit 25 Jahren soll sich in Unterschleißheim ein eigenes Gremium um die Integration von Ausländern kümmern. Tatsächlich beschränkt sich die Arbeit auf die Organisation eines jährlichen Festes. Der Vorsitzende Antonio Lomuscio würde das gerne ändern, doch er dringt nicht durch.

Von Jana Treffler, Unterschleißheim

Alle zwei Jahre findet in Unterschleißheim das Internationale Fest statt, "an dem der multinationale Charakter der Stadt präsentiert wird", wie es auf der Homepage der Stadt heißt. Außerdem steht dort, Integration werde in Unterschleißheim nicht als Vorführprojekt zu besonderen Anlässen gezeigt, sondern täglich gelebt. Organisiert wird das Fest vom örtlichen Beirat zur Integration von Ausländern, der seit 1990 besteht und, wie der Name vermuten lässt, bei der Integration von Menschen verschiedenster Herkunft helfen, ihnen eine Anlaufstelle bieten und dem Stadtrat die Anliegen der ausländischen Bürger nahebringen soll.

Was auf dem Papier gut aussieht, entpuppt sich in der Realität als schwieriges Unterfangen. Die Arbeit des Beirats ist durch eine Vielzahl von Hindernissen beinahe vollständig auf eine Aufgabe reduziert: die Organisation des Fests. So steht auf der Tagesordnung der mehrmals im Jahr stattfindenden Sitzungen des Gremiums neben diesem Punkt auch stets die Frage: Wofür ist der Beirat überhaupt da?

Initiativen werden von den Stadträten schnell abgewiesen

Antonio Lomuscio ist 62 Jahre alt, unter der Woche Informatiker und samstags Feinkosthändler auf dem Unterschleißheimer Wochenmarkt. Er ist gebürtiger Italiener, lebt seit 1975 in Deutschland und seit 1984 in Unterschleißheim, wo er seinen Lebensmittelpunkt hat. Seit einem Jahr ist er Vorsitzender des Beirats zur Integration von Ausländern und Integrationsbeauftragter der Stadt Unterschleißheim. Sein Urteil über die Arbeit des Gremiums ist ernüchternd. Laut Lomuscio werden die Initiativen des Beirats von den zuständigen Stadträten sehr schnell abgewiesen. Die Gründe seien immer dieselben: kein Geld, zu hohes Risiko, wichtigere Projekte. "Der Beirat ist existent, aber nicht real", sagt Lomuscio und spricht damit die eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten des Gremiums an. Ein eigenes Budget gibt es ebenso wenig wie eigene Räumlichkeiten. Vor allem fehle aber der Kontakt zur Zielgruppe, den ausländischen Bürgern. "Wir bekommen null Anfragen von Bürgern, denn die wissen gar nichts vom Beirat. Wir reden über Menschen, von denen wir keine Ahnung haben, und denken uns Probleme aus, für die wir dann Lösungen suchen", sagt der Vorsitzende.

Von solchen Fällen hat Réka Lörincz, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (AGABY), schon oft gehört. "Obwohl Beiräte eigentlich ein politisches Instrument sind, werden sie oft zu Eventmanagern reduziert", sagt Lörincz. Integrationsbeiräte sollten eine Brückenfunktion einnehmen und Kontakt zu den teils schwer erreichbaren ausländischen Bürgern herstellen. Antrags- und Rederecht im Stadt- oder Gemeinderat seien wenigstens notwendig, um dem Beirat etwas Gewicht zu geben. Am besten wäre es, wenn die Mitglieder zumindest teilweise demokratisch legitimiert, also von den ausländischen Bürgern gewählt wären. Da Beiräte jedoch nicht in der bayerischen Gemeindeordnung festgeschrieben seien, würden oft Alibi-Gremien ohne echte Kompetenzen eingerichtet.

In Garching hat der Beirat ein festes Budget

Beispiel für einen funktionierenden Integrationsbeirat ist der in Garching. Vorsitzender Claudio Cumani durfte im Juni für seinen Beirat den Bayerischen Integrationspreis entgegennehmen. In Garching hat der Beirat ein festes Budget von jährlich 1000 bis 1500 Euro, über das er frei verfügen kann, die Mitglieder bilden sich selbständig in interkultureller Kommunikation weiter und die Vernetzung mit den örtlichen Vereinen und Einrichtungen ist sehr gut. Dennoch wird deutlich, dass seit dem Preis einiges besser läuft als zuvor. "Unsere Arbeit ist plötzlich viel einfacher geworden. Wir werden jetzt wahrgenommen vom Stadtrat, vom Integrationsbeauftragten und auch von den Bürgern", sagt Cumani. Jetzt bekämen sie sofort Antworten auf ihre Anfragen und müssten nicht ewig auf Rückmeldung warten. Im vergangenen Jahr, bevor der Preis kam, steckte der Beirat in einer Krise. Seine Mitglieder fühlten sich vom Stadtrat unbeachtet, Kontaktpunkte gab es quasi keine. Auch wenn Cumani diese Krise als überwunden ansieht, will er weiter das Profil des Beirats stärken, um mehr Durchsetzungskraft gegenüber dem Stadtrat zu erlangen.

Claudio Cumani vom Garchinger Integrationsbeirat kann anders arbeiten als sein Unterschleißheimer Kollege. (Foto: Robert Haas)

Ali Danabas sieht in Garching gute Rahmenbedingung für einen Integrationsbeirat. Zu der Situation in Unterschleißheim will sich der Integrationsbeauftragte des Landkreises München nicht äußern. Beiräte könnten durchaus sinnvoll genutzt werden, wenn es keinen gebe, sei es aber auch nicht schlimm, da die Integrationsarbeit meistens über Vereine oder Migranten-Selbstorganisation laufe, sagt Danabas. Solange ein Beirat nur beratende Funktion habe, sei es wichtig, dass der Stadtrat dessen Ratschläge ernst nehme, immerhin seien die Beiräte kostenlose Berater.

Kontaktaufnahme zu Bürgern ist nicht ganz einfach

Thomas Stockerl, der Referent des Unterschleißheimer Rathauschefs Christoph Böck (SPD), hält die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Beirat für gelungen. Als Stadtrat sitzt Theodor Pregler (CSU) mit im Unterschleißheimer Beirat. Er betont mehrmals, dass das Gremium nicht überflüssig sei. Er sehe allerdings nicht die Notwendigkeit, dessen Kompetenzen zu erweitern. Ein Budget brauche der Beirat nicht, denn für alles, was er mache, nämlich das Internationale Fest zu organisieren, zahle ohnehin die Stadt. "Wieso eine Kasse einrichten, wo das Geld nur herumliegt?", fragt Pregler. Rund 3000 Euro lässt sich die Stadt nach den Worten von Referent Stockerl das Internationale Fest kosten. Im November wird es wieder stattfinden.

Um den Beirat bekannter zu machen, könne nicht viel mehr getan werden, sagt Pregler. Es gebe bereits das Fest, zu dem aber auch immer "die Gleichen" kämen. Wahlen würden zu nichts führen, da die Erfahrung anderer Kommunen zeige, dass die Beteiligung bei solchen Beiratswahlen oft unter zehn Prozent liege. Pregler: "Die Kontaktaufnahme zu ausländischen Bürgern ist nun einmal nicht ganz einfach."

Das erkennt auch Lomuscio an, der sich jetzt für die Einrichtung einer Sprechstunde einsetzen und sogar die Möglichkeit ansprechen will, den Beirat zu demokratisieren. Eine Wahl mit Vorstellungsrunde, Werbung und Kampagnen könnte den Beirat bekannter machen, hofft er. Gewählte Repräsentanten könnten Vertrauen in das politische System schaffen und ausländische Bürger dazu ermutigen, ihre Anliegen direkt beim Beirat einzubringen, sagt der Vorsitzende. Dass seine Ideen Aussicht auf Erfolg haben könnten, bezweifelt er jedoch.

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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