Unterschleißheim:Oliver Kahn war Olli Hahn

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Der Unterschleißheimer Oscar, "Die goldene Ushi", ging an Christoph Hölzl für seine Enthüllungs-Dokumentation über Olli Kahn. (Foto: Carl Orff Gymnasium)

Beim DOK-Filmfest im Gleis 1 in Unterschleißheim gewinnt Christoph Hölzl für seine Enthüllungssatire den Publikumspreis

Von Johanna Lehn, Unterschleißheim

Schummriges Licht, eine große Leinwand, davor eine Bühne. In allen Reihen raschelt es, Geruch von Popcorn liegt in der Luft. Es wird noch etwas dunkler, die beiden Moderatoren Sophie Pfeiffer und Daniel Rink begrüßen die Besucher. Hauptsächlich Eltern, Freunde, Mitschüler. Für zwölf Abiturienten des Carl-Orff-Gymnasiums (COG) ist heute ein großer Abend: Zwei Jahre lang haben sie in ihrem W-Seminar "Dokumentarfilm" theoretisches Fachwissen erworben, um schließlich selbst Kurzfilme zu drehen, die sie nun im Gleis 1 vor Publikum beim "DOK-Filmfest" präsentieren. Nicht nur, dass die Arbeiten in ihre Abiturnote eingehen, der viel größerer Grund für Nervosität: Am rechten Bühnenrand, angestrahlt von einem pinken Scheinwerfer, thront "Die Goldene Ushi". Eine goldene Barbie mit wallender blonder Mähne auf einem kleinen Sockel, im Gegensatz zum Oscar mit in die Luft gereckten Armen - der Preis, den jener Filmemacher gewinnt, der die meisten Publikumsstimmen auf sich vereinen kann.

Ohne viele einleitende Worte sehen die Zuschauer einen Trailer, kurze Ausschnitte aus allen fünf- bis zehnminütigen Filmen, die den Abend füllen. Die Bandbreite der Kurzfilme erstreckt sich von einem Interview mit einem Flüchtling in Unterschleißheim über den Blick hinter die Kulissen von Live-Berichterstattungen bis hin zu Hund Franky, dem eine Stimme gegeben wird. Dirk Meitzner, Kunstlehrer am COG, betont gleich zu Beginn: "Für mich war es das Größte, zuzusehen, wie jeder auch ein Stück reifer geworden ist." Seit acht Jahren gibt er Seminare über Kurzfilme, heuer zum ersten Mal über Dokumentarfilme. Die Schüler sollen sich mit der Realität auseinandersetzen, mit dem was sie umgibt, lautet seine Begründung.

Sophie Pfeiffer dreht während ihres Surf-Urlaubs auf Fuerteventura einen Vlog, eine Art Videotagebuch. Mit der Kamera nimmt sie die Zuschauer im Auto mit an den Strand, sommerliche Hintergrundmusik verpasst den Bildern den passenden Soundtrack. Wenige Augenblicke später surft ein Mann über die Wellen, die Kamera offensichtlich am Surfbrett befestigt. Wirft ihn eine Welle um, taucht auch der Zuschauer gemeinsam mit der Kamera unter. Elf Stunden Videomaterial nimmt Sophie mit drei verschiedenen Kameras auf. Besonders das Schneiden der Videos sei keine leichte Aufgabe gewesen, sagt sie.

Ihr Moderationspartner Daniel Rink sammelt bei der Weltmeisterschaft 2014 noch selbst Panini-Bilder und feilscht um begehrte Spieler. Während der Europameisterschaft im vergangenen Jahr sieht er die kleinen Kinder auf dem Schulhof um die Sticker spielen und nimmt das zum Anlass für seine Dokumentation. Frei nach dem Format "One day, one minute", also seinen Tagesablauf in einer Minute filmisch zusammenzufassen, dokumentiert er einen Tag eines Sammelwütigen während der Europameisterschaft. Aufstehen, anziehen, frühstücken - alles aus der Perspektive des Protagonisten, der seine Umgebung mit einer Kamera am Kopf aufnimmt. Anschließend ein Duell um die Sammelbilder. Das gesamte Filmmaterial für seine Doku entsteht innerhalb eines Tages, im Wesentlichen an drei Orten: Küche, Wohnzimmer und in seinem unaufgeräumten Zimmer, wie er nach dem Film sagt.

Eine Reportage über das gemeinsame Theaterstück der Oberstufenschüler des Carl-Orff-Gymnasiums und der Behindertenwerkstatt Heilpädagogisches Centrum Augustinum zeigt Daniel Hellmich. Er filmt bereits seit vielen Jahren die Theateraufführungen am Gymnasium. Gekonnt wechseln sich Szenen des Theaterstücks mit passenden Aussagen von Beteiligten ab. Wie in einer Fernsehreportage wird der Name der Person eingeblendet, die gerade spricht.

Die Dokumentation auf den Kopf stellen und ihre Tatsachen verdrehen, das hat sich Christoph Hölzl sich zur Aufgabe gemacht. Seine "Mockumentary" tarnt sich als Enthüllungsgeschichte über Oliver Kahn, der froh ist, "den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt zu haben", wie der Reporter im Film verrät: Als aktiver Spieler war er nicht nur Torwart beim FC Bayern München, unter dem Decknamen "Olli Hahn" habe er daneben für den FC Phönix Schleißheim als Stürmer gespielt. Das Publikum findet den Film so gelungen, dass Christoph "Die Goldene Ushi" feierlich überreicht bekommt.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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